
Greta Thunberg freut sich auf ein großes Abenteuer.
(Foto: REUTERS)
3500 Seemeilen liegen zwischen Greta Thunberg und der UN-Klimakonferenz in New York. Das schreckt die 16-Jährige nicht davon ab, für rund zwei Wochen auf eine beengte Segeljacht zu steigen. Auf ihre Reise nimmt sie nur wenige Sachen mit. Angst zeigt sie kurz vor dem Aufbruch nicht.
Seit knapp einem Jahr engagiert sich Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg - mehr oder weniger medienwirksam - für das Klima. Am 20. August 2018 setzte sich die schwedische Schülerin das erste Mal vor den Stockholmer Reichstag, um für das Klima zu streiken. Ob sie sich erträumt hat, dass sie das einjährige Jubiläum ihres "Skolstrejk för Klimatet" auf dem Atlantik verbringen wird? Feuchtigkeit, Lärm, kaum Komfort: Diese Dinge erwarten die junge Klimaaktivistin seit heute Nachmittag. Mit einem kleinen Team - bestehend aus ihrem Vater, dem deutschen Segelprofi Boris Herrmann, dessen Co-Skipper und einem Dokumentarfilmer - ist sie in See gestochen. Ziel: Die Klimakonferenz in New York City, rund 3500 nautische Meilen entfernt.
Kurz vor dem Start im britischen Plymouth stellt sich Greta Thunberg den Fragen von Dutzenden Journalisten. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen steht sie am Pier in einem schwarzen Segeloutfit und Gummistiefeln. Der geflochtene Pferdeschwanz liegt auf ihrer Schulter. "Ich finde es großartig, dass die Medien über meine Reise berichten wollen", sagt sie. Schließlich gebe es aktuell viele andere Themen, die wichtiger seien. Gleich zu Beginn stellt sie klar: Sie schreibe niemandem vor, wie er oder sie zu reisen habe. Sie sei einer der ganz wenigen Menschen auf der Welt, der mit einer Segeljacht den Atlantik queren könnte. Diese Chance wollen sie ergreifen.
"Ich mache mir keine Sorgen über die Reaktionen auf meine Reise", sagt Thunberg. Vielmehr treibe sie um, ob etwas gegen den Klimawandel getan wird oder nicht. Ob diejenigen mit politischer Macht entschlossen sind und handeln oder eben nicht. Es gebe Menschen, die alles dafür tun wollten, den Fokus auf andere Dinge, weg von der Klimakrise zu verschieben, sagt sie ohne Namen zu nennen. Sie tue einfach das, was sie kann und was die größte Wirkung erzielen könne.
Seekrank nur für einige Minuten
Natürlich hätte sie sich auch per Videostream bei der anstehenden UN-Klimakonferenz in New York zuschalten können. Leider habe sie in der Vergangenheit aber die Erfahrung gemacht, dass dies keine Aufmerksamkeit errege. "Ich wurde auf die Konferenz eingeladen und nicht dazu, an einer Videoschalte teilzunehmen", sagt die 16-Jährige auf eine entsprechende Frage. Wenn sich ein junger Mensch bei einer derartigen Veranstaltung zeige, könne das eine große Wirkung erzielen.
Ihr Segeltörn werde ein "ziemliches Abenteuer", sagt die Schwedin weiter. "Vielleicht werde ich seekrank, keine Ahnung." Vieles könne passieren, "aber ich muss das dann in den Griff bekommen." Etliche Menschen auf der Welt würden viel stärker leiden und hätten ganz andere Probleme. Sie werde herausfinden, was die größte Herausforderung für sie persönlich sein wird. Vor zwei Tagen sei sie schon einmal für sieben Stunden testweise auf See gewesen. "Ich habe mich nicht schlecht gefühlt." Für vielleicht zwei Minuten sei sie kurz seekrank gewesen, "aber dann war es vorbei".
Seit Monaten steht Greta Thunberg - mehr oder weniger freiwillig - im medialen Rampenlicht und wird als eine Art Galionsfigur für den Themenkomplex Klimawandel benutzt. Woher nimmt sie die Kraft, sich all dem auszusetzen, will ein Journalist wissen. "Ich kriege meine Energie daher, dass ich weiß, dass das ein sehr großes Problem ist." Sie habe viel über den Klimawandel gelesen und verstehe in vielerlei Hinsicht das Problem. "Ich habe beschlossen, alles dagegen zu tun, was ich kann." Die Tatsache, dass sich Dinge bereits verändert hätten, gebe ihr Hoffnung. So habe sich bereits die Mentalität vieler Menschen geändert. Auch wenn es nicht schnell genug gehe, sei das immerhin schon etwas.
Ihre Stimme sei am Anfang ihres Klimastreiks nicht gehört worden. Dann habe sie versucht, sich auf andere Weise Gehör zu verschaffen und dass sei ihr dann auch gelungen. Manchmal müsse man einfach kreativ sein und sich etwas ausdenken. Der Klimawandel sei ein "riesiges, globales Problem", das angegangen werden müsse. "Jeder kann so viel dagegen tun", sagt Thunberg. Mit ihrer Teilnahme an der Klimakonferenz und ihre Reise nach Amerika erhoffe sie sich ein erhöhtes Bewusstsein im Allgemeinen. Den Menschen müsse klar werden, dass man sich in einer klimatischen Notsituation befinde. Wenn ihnen der Ernst der Lage bewusst werde, könnte internationaler Druck auf politische Entscheidungsträger ausgeübt werden.
"Greta, wir lieben dich"
Wie es für sie in Nord- und Südamerika nach ihrer vermutlich zweiwöchigen Anreise weitergehen wird, weiß sie noch nicht. "Ich habe keinen Plan." Sie habe sich bewusst nicht viele Termine gemacht und werde schauen, was ihr Gefühl ihr sagt. "Ich weiß noch nicht, wann ich nach Hause komme", sagt die 16-Jährige. Im Gepäck habe sie nur wenige Klamotten - sie trage schließlich die meiste Zeit ihre Segelkleidung - sowie einige Bücher, Brettspiele und einen Stofftierhasen, der ihr geschenkt wurde.
"Greta, wir lieben dich", wird der 16-Jährigen am Ende der kurzen Pressekonferenz noch entgegengerufen. Sie schüttelt kaum merklich aber sichtlich irritiert den Kopf. Zwei Wochen auf hoher See ohne großen Medienrummel und mit Verbindung zu den Naturgewalten wirken in diesem Moment wie Balsam für die Schwedin. Doch noch muss sie einige Minuten Spektakel über sich ergehen lassen. Sie wird dabei gefilmt, wie sie in ein graues Schlauchboot steigt und winkt. Ein frischer Wind weht, die Wolken hängen tief. Dann steigt sie auf das Segelschiff um. Eine Europa- und eine Schwedenflagge flattern über dem Boot. Das Abenteuer beginnt.
Quelle: ntv.de