Panorama

Bei Winterspielen 2026 Italiens Mafia wittert das große Olympia-Geschäft

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Die Cobianchi-Brüder treiben bereits seit Jahren mit illegalen Geschäfte im Wintersportort Cortina ihr Unwesen.

Die Cobianchi-Brüder treiben bereits seit Jahren mit illegalen Geschäfte im Wintersportort Cortina ihr Unwesen.

(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)

Die Vorbereitungen der Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Mailand und Cortina werden engmaschig kontrolliert. Doch nicht alle krummen Machenschaften werden von den Behörden immer gleich aufgedeckt, wie der Fall von zwei Drogen dealenden Brüdern aus Rom zeigt.

Es sind noch knapp dreieinhalb Monate bis zum Beginn der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina. Wie es um die Vorbereitungen und den Ausbau der Infrastruktur steht, ist im Moment noch schwer zu sagen. Zig Unternehmen sind daran beteiligt.

Dabei verläuft nicht immer alles lupenrein, trotz der sehr strengen Vorschriften, um überhaupt an den Ausschreibungen teilnehmen zu können, und der engmaschigen Kontrollen, die regelmäßig durchgeführt werden. So wurden allein in den vergangenen Wochen 57 Unternehmen im Trentino kontrolliert, heißt es auf der Webseite des Innenministeriums.

Nichtsdestotrotz schafft es die organisierte Kriminalität immer wieder, die Vorschriften zu unterwandern. Das positive Zwischenfazit lautet jedoch, dass die akkuraten Kontrollen diese Versuche immer öfter aufdecken. Wie der Fall zweier Brüder zeigt.

Spiele sollen Recycling-Paradebeispiel werden

Um die Lage genau einzuordnen, zunächst ein Blick in die Vergangenheit: Als Italien 2019 den Zuschlag für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele bekam, war nicht nur die Freude groß, die Ambitionen waren es auch.

Man wollte aus Milano-Cortina 2026 ein Paradebeispiel in Sachen nachhaltige und kostenbegrenzte Spiele machen. Daher der Entschluss, bestehende Sportstrukturen zu nutzen und sie den Ansprüchen der Spiele anzupassen. Neue Bauten sollten nur die Ausnahme sein.

Außerdem sollte und wollte Rom keinen Cent beisteuern, hob Giancarlo Giorgetti, damaliger Staatssekretär und heutiger Finanzminister, hervor. Zahlen sollten die Rechnungen die Lombardei und Venetien, zusammen mit den Provinzen Trient und Südtirol, also die reichsten Regionen des Landes. Und diese setzten wiederum auf Joint Ventures mit privaten Unternehmern.

Doch es kam, wie von Skeptikern vorausgesehen, anders: Bis jetzt haben die Staatskassen mehr als fünf Milliarden Euro in die Spiele investiert, wie es auf der Plattform der Antimafia-Organisation "Libera" heißt. Davon seien rund 1,6 Milliarden Euro in die Ausführung der Spiele investiert worden, der Rest in den Infrastruktur-Ausbau und in die Organisation.

Es ist also viel Geld im Spiel. Daher auch die Aufforderung von "Libera", einen für alle leichten Zugang zu den wichtigsten Informationen - Bauherren, den Realisierungsstand der Projekte, ihre Nutzung nach den Spielen - zu gewährleisten. Im Moment muss man dafür noch unzählige Webseiten durchforsten, und hat am Ende trotzdem keinen Überblick.

Glückstreffer und unlautere Geschäfte

Der Vorsitzende von "Libera", Don Luigi Ciotti, mahnte in einem Artikel der Zeitschrift "La Via Libera", man dürfe sich bei den Kontrollen nicht nur auf die ausgeschriebenen Aufträge konzentrieren. Man müsse auch die Investitionen in Immobilien und Gastgewerbe im Auge behalten, die im Hinblick auf die Olympischen Spiele stark gestiegen sind. In manchen Fällen wurde sogar Cash gezahlt, "damit es schneller geht", hob Don Ciotti hervor, der selbst aus der Gegend um Cortina stammt. "Wir wissen, dass die Mafia Dienstleistungsagenturen vor Ort eingerichtet hat, um Geld zu waschen."

Und er sollte Recht behalten: Vor wenigen Tagen wurden die aus Rom stammenden Brüder Leopoldo und Alvise Cobianchi, 38 und 36 Jahre alt, von den Carabinieri festgenommen.

Kerngeschäft der Cobianchi-Brüder in Rom und Cortina, wo sie seit über 20 Jahren präsent sind, sind Drogen, vor allem Kokain. Als dann noch der Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2026 kam, werteten sie das als einen Glückstreffer, den man sich nicht entgehen lassen durfte. Nicht nur, weil sich ihre Klientel erweitern würde, sondern weil man sich auch eine Scheibe vom Kuchen der Spiele abschneiden wollte.

Die Tageszeitung "Corriere della Sera" schrieb, dass die Cobianchis sich unter anderem an dem Geschäft mit gefälschten Gutachten beteiligt hatten, die dazu dienen, sich Ausschreibungen zu sichern. Außerdem hätten sie einen "Onkel" im Parlament, der ihnen eventuelle Hürden aus dem Weg schaffen würde; und einen direkten Kontakt zum Stadtreferenten aus Cortina, Stefano Ghezza. Letzterer habe einen Vertreter der Brüder nach einem ersten Treffen jedoch wieder weggeschickt, woraufhin er bedroht worden sei.

Ghezza soll allerdings nicht der einzige gewesen sein, dem die Brüder drohten. Dem Geschäftsführer der Diskothek "Blu" sei es ähnlich ergangen. "Wir sind seit zwanzig Jahren hier und wir haben das Sagen", soll Alvise Cobianchi in abgehörten Gesprächen gesagt haben. Deswegen sei es ihr Recht, den PR-Mann, den Dealer und sogar den DJ in dem Nachtclub auszusuchen.

"Wir sind diejenigen, die entscheiden"

Auch den Besitzern des Restaurants "Chalet Tofane", die nach einer ersten Erfahrung mit der Eventorganisation der Brüder beschlossen hatten, das nächste Neujahrsfest ohne sie zu organisieren, sei klipp und klar gesagt worden: "Wir sind diejenigen, die entscheiden."

Wer nicht mitmachte, sei zusammengeschlagen und mit der Pistole bedroht worden. Auch Kunden, die mit der Bezahlung von Drogen im Verzug waren, seien in typischer Mafia-Manier an ihre Pflicht erinnert worden. Einer sei sogar gekidnappt und im Kofferraum eines PKWs eingeschlossen worden.

Mittwoch vor einer Woche wurden die Cobianchi-Brüder wegen Erpressung unter erschwerenden Umständen der Mafia-Methoden in Haft genommen. Der Arrest der Brüder ist eine doppelt gute Nachricht, denn er beweist, dass die Kontrollmechanismen funktionieren. Was natürlich nicht ausschließt, dass auch mal etwas unentdeckt bleibt.

Quelle: ntv.de

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