
Seit dem Wochenbeginn sind auch Friseursalons in Deutschland geschlossen.
(Foto: dpa)
Die Betreiberin eines Haarsalons redet mit einem Gast über die Coronakrise und äußert sich besorgt über ihre Zukunft. Der Mann ist sowohl ihr Stammkunde als auch Vermieter. Das Gespräch lässt ihn nicht mehr los. Er handelt auf seine Weise.
Melanie Roehse und Jörg Neuhaus haben seit drei Jahren eine Art doppelte Geschäftsbeziehung. Er ist bei ihr Stammkunde. Und sie ist seine Mieterin. Der Laden im niedersächsischen Bad Nenndorf, in dem die junge Friseurmeisterin ihr Handwerk ausübt, gehört dem 50-Jährigen. Am Samstag saß er mal wieder bei ihr auf dem Stuhl und ließ sich die Haare schön machen. Und wie das so ist beim Friseur, kommt man ins Plaudern - und da führt dieser Tage kein Weg an einem Thema vorbei: das Coronavirus und seine Folgen.
"Wir haben allgemein über die Krise gesprochen und dass viele kleinere Betriebe in die Bredouille kommen werden", erzählte Roehse. "Und klar habe ich gesagt, dass ich schauen muss, wie es dann bei mir aussieht." Denn der 32-Jährigen schwante schon, dass Bund und Länder ihren Beschluss, die Friseursalons und Barbershops von den Geschäftsschließungen auszunehmen, über das Wochenende nicht Bestand haben würde. So kam es dann auch: Seit Montag sind auch Haarsalons von der Schutzmaßnahme gegen die Epidemie betroffen. Neuhaus berichtete - ebenso wie Roehse auf Anfrage von ntv.de - über das Gespräch: "Frau Roehse sagte, dass sie sich die Miete für April noch leisten kann, sie aber danach nicht weiß, wo das Geld herkommen soll, wenn sich die Lage nicht entspannt."
"Das hat mich die ganze Nacht beschäftigt", sagte Neuhaus. Am nächsten Morgen hatte die Grübelei ein Ende. Neuhaus beschloss, der Friseurmeisterin die Miete für mindestens einen Monat zu erlassen und ihr seine Entscheidung in einem Brief mitzuteilen. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass er als Verkaufsleiter bei der Firma C. Siebrecht Söhne KG arbeitet, die Bäckern Zutaten liefert, darunter auch Unternehmen mit vielen Filialen. "Ich weiß aus unmittelbarer Erfahrung, wie es Handwerkern gerade geht."
"Mir liefen die Tränen vor Freude"
Roehse mietet den Landen dem Eigentümer zufolge seit drei Jahren. "In der Zeit hat sie Monat für Monat die Miete pünktlich und voll gezahlt. Ich wollte ihr gerne jetzt, wo Not am Mann ist, etwas zurückgeben." Die Zusage des Verzichts samt Nebenkosten gelte für Mai. "Sind es am Ende zwei Monate, dann ist das eben so: Wichtig ist, dass der Salon erhalten bleibt." Neuhaus schickte Roehse am Sonntagmorgen per Whatsapp eine Nachricht, die ein Foto des Briefes enthielt. Sie las ihn und war tief berührt. "Der Brief kam aus dem Nichts", so Roehse. "Mir liefen die Tränen vor Freude runter. Mir hat das eine große Last von den Schultern genommen." Vor allem habe sie sich darüber gefreut, dass Neuhaus auch auf eine weitere Monatsmiete verzichten würde, sollte die Misere länger dauern.
Den Brief, den Neuhaus der Handwerksmeisterin am Montag auch noch persönlich überreichte, veröffentlichte die 32-Jährige auf Facebook, wo er rasch die Runde machte. Er beginnt mit dem Satz: "Da mir Ihr Friseursalon sehr am Herzen liegt, möchte ich Sie gerne in der schweren Corona-Zeit unterstützen." Dadurch habe sie eine kleine Sorge weniger. Ihm gehe es darum, "als Vermieter Flagge zu zeigen". Bleibt die Frage, ob das Signal gesehen wird und andere Immobilienbesitzer sich ebenfalls großzügig zeigen. "Mindestens ein anderer Vermieter ist schon meinem Beispiel gefolgt", sagte Neuhaus. "Andere denken darüber nach, ob sie die Miete erlassen oder halbieren."
Eine gemeinsame Lösung finden
Der 50-Jährige hat nach eigenen Angaben lediglich ein Gewerbeobjekt vermietet, nämlich das von Roehse. Seine anderen Mieter seien Rentner oder Beschäftigte im Gesundheitswesen. "Da habe ich Glück, ich werde mein Geld bekommen." Er hält es allerdings für wahrscheinlich, dass überall in der Bundesrepublik demnächst Leute ihre Wohnung nicht mehr werden bezahlen können. "Wäre das bei mir der Fall, würde ich mich fragen: Was hilft mir eine Klage? Das kostet nur Zeit, Geld und Nerven." Gerichtsvollzieher hätten doch schon heute zu viel zu tun. Wie schaue es dann erst nach der Corona-Krise aus? Die Wahrscheinlichkeit, die Ausstände doch noch zu erhalten, seien gering. "Dann wäre es sicher vernünftig, mit den Mietern eine gemeinsame Lösung zu finden", rät er Immobilienbesitzern.
Auch Neuhaus weiß, dass seine Hilfe für die Salonbetreiberin nur ein Teil ist, um die finanzielle Not zu überwinden. "Am Ende ist der Mieterlass nur ein kleiner Strohhalm für Frau Roehse", sagte er. "Denn die Gehälter ihrer Angestellten und Kosten wie für den Strom muss sie ja weiter stemmen. Und auch ihr eigenes Auskommen ist ja nicht gesichert." Die Handwerksmeisterin sagt: "Niemand weiß, wie lange die Krise dauert. Aber lieber so als ohne Strohhalm."
Quelle: ntv.de