Neue Sinus-Studie Jugendliche sind besorgter denn je
12.06.2024, 13:27 Uhr Artikel anhören
Junge Leute trauen Politikerinnen und Politikern kaum Lösungen zu.
(Foto: dpa)
Wie ticken 14 bis 17 Jahre alte Jugendliche in Deutschland? Das fragt die Sinus-Studie seit Jahren regelmäßig ab. Nun liegen die neuen Ergebnisse vor. Sie zeigen Teenager, die einerseits sehr zufrieden und andererseits voller Sorgen sind.
Jugendliche sind einer neuen Studie zufolge besorgter denn je über Probleme wie Klimawandel oder Rassismus, fühlen sich selbst aber machtlos. Auch der Politik trauen viele nicht zu, Lösungen zu finden. Dies geht aus der Sinus-Jugendstudie 2024 im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Sie zeigt aber auch: Trotz Zukunftsängsten sind 84 Prozent der befragten Teenager zwischen 14 und 17 Jahren zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Alltagserleben.
Studienautor Marc Calmbach nannte das den überraschendsten Befund: "Die Krisen stapeln sich, und die Jugendlichen bewahren sich den Bewältigungsoptimismus, das ist erstaunlich." Auch der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, sagte: "Die Generation, die hier zur Debatte steht, hat quasi nur Krisen erlebt." Das führe aber nicht zu Pessimismus, sondern zu einem "konditionierten Optimismus". Gemeint ist der Studie zufolge, die Jugendlichen haben trotz allem das Gefühl: Irgendwie wird es schon werden.
Die Verunsicherung "durch die schwer einzuschätzende Migrationsdynamik und die dadurch angestoßene Zunahme von Rassismus und Diskriminierung" sei beträchtlich, so die Studie. Viele Jugendliche hätten außerdem Angst vor dem Übergang ins Berufs- und Erwachsenenleben.
Suche nach Platz in der Gesellschaft
Dabei sei die Weltsicht der jungen Generation von Realismus und Bodenhaftung geprägt, was auch die angestrebten Lebensentwürfe zeigten. An der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit und der hohen Wertschätzung von Familie habe sich nichts geändert. Der Aspekt des Bewahrenden und Nachhaltigen sei für viele Jugendliche sogar noch wichtiger geworden, hieß es. Viele wünschten sich einen Platz in der Mitte der Gesellschaft und träumten von einer glücklichen Partnerschaft, Kindern, Haustieren, Eigentum, einem guten Job und genug Geld für ein sorgenfreies Leben.
Die Jugendlichen sind aber tolerant gegenüber anderen Lebensentwürfen. Nicht nur die Toleranz in Bezug auf unterschiedliche Kulturen werde als selbstverständlich betont, sondern auch die Akzeptanz pluralisierter Lebensformen und Rollenbilder. Teenager seien besonders stark für Gendergerechtigkeit sensibilisiert. Die meisten seien demonstrativ offen dafür, wenn Menschen ihr Geschlecht als nonbinär definierten. Außerdem seien sie sich fortdauernder Geschlechterstereotype und Rollenerwartungen bewusst.
Die meisten Teenager können sich der Studie zufolge ein Leben ohne die sozialen Netzwerke nur schwer vorstellen. Diese seien für sie die bei Weitem wichtigste Informationsquelle. Dabei seien sie sich der Gefahr bewusst, Falschinformationen zu bekommen. Die meisten gingen aber davon aus, diese mit gesundem Menschenverstand zu erkennen. Aktiv zur Glaubwürdigkeit von Informationen recherchieren würden sie selten.
Meinungsbild über Jahre
Die Sinus-Studie gibt es seit 2008. Es ist keine Meinungsumfrage mit Hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern eine qualitative Untersuchung. Dabei wurden 72 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren aus unterschiedlichen Schulformen und Bevölkerungsgruppen über mehrere Stunden intensiv zu Hause nach ihrem Alltag, ihren Wünschen, Werten und Zukunftsentwürfen befragt. "Das ist der Charme, die Qualität dieser Studie", sagte Calmbach. Aussagekraft für die 3,1 Millionen jungen Leute in der Altersgruppe hätten die Ergebnisse trotz der kleinen Stichprobe wegen der Tiefe der Befragung.
Weil die Jugendlichen schon 2023 befragt wurden, lassen sich aus Krügers Sicht darin keine direkten Antworten auf den Ausgang der Europawahl finden. Calmbach ordnete den Anteil jugendlicher AfD-Wähler von 16 Prozent aber so ein: "Das ist ein volatiles Verhalten, ich bin mir sehr sicher, dass das in zwei Jahren ganz anders aussehen kann." Die Jugendlichen hätten kein geschlossen rechtes Weltbild, sie probierten aus. Allerdings hätten die etablierten Parteien schon häufig enttäuscht, sagte der Geschäftsführer des Sinus-Instituts.
Quelle: ntv.de, sba/dpa/AFP