Gefangene Geschwister in Perris Opfer verhielten sich wie "Roboter"
18.01.2018, 10:52 Uhr
Warum bemerkte niemand was in dem Haus in Perris vor sich ging?
(Foto: REUTERS)
Ein Ehepaar sperrt seine 13 Kinder ein - offenbar jahrelang. Die Geschwister verwahrlosen und verhungern fast. Nachbarn und Verwandte bemerken zwar, dass "irgendetwas nicht stimmt" - doch erst im Nachhinein sprechen sie darüber.
Es ist ein Bild des Schreckens: 13 Geschwister, unterernährt, schmutzig und verstört, kauern an Betten angekettet am Boden und flehen um Hilfe. Der Fall der unter grausamen Umständen in ihrem Elternhaus festgehaltenen Kinder von David und Louise Turpin löst weltweit Entsetzen aus. Nach und nach kommen mehr Details aus dem Horrorhaus im kalifornischen Perris an die Öffentlichkeit.
Elizabeth Jane Flores, Schwester der festgenommenen 49 Jahre alten Mutter, berichtet gegenüber "Daily Mail TV", dass sie knapp zwei Jahrzehnte lang Kontakt zur Familie gesucht habe, doch David und Louise Turpin hätten keinen Besuch zugelassen. "Ab und zu haben wir telefoniert, aber jedes Mal, wenn ich darum bat, mit ihren Kindern sprechen zu dürfen, ließ sie mich nicht", sagt Flores weiter. Sie habe gewusst, betont die Schwester, dass irgendetwas bei der Kindererziehung nicht stimme, aber niemals hätte sie erwartet, dass es so schlimm sei.
Die Großeltern wollten ihre Enkel und ihre Tochter besuchen, buchten Flores zufolge mehrmals Flüge. Allerdings kehrten sie immer wieder zurück, ohne Tochter und Enkel gesehen zu haben. "Meine Eltern sind jedes Mal weinend zurückgekehrt", erinnert sich Flores.
"Ich bin so wütend, so verletzt"
"Ich fühle mich wie in einem bösen Traum", sagt Teresa Robinette, eine andere Schwester von Louise Turpin, und betont, ihr Herz sei wegen ihrer Nichten und Neffen gebrochen. Sie könne nicht verstehen, wie es so weit habe kommen können. Die Kinder hätten kein Fernsehen schauen dürfen. "Sie durften keine Freunde einladen oder andere normale Dinge tun", erklärte die Tante im TV-Sender NBC. Mehrmals habe sie ihre Schwester darauf angesprochen, dass die Kinder so mager seien. Doch sie lachte nur und erklärte, David sei ja auch schlaksig und die Kinder würden nach ihm kommen. "Unsere Kindheit war nicht perfekt, aber so hat sie nicht gelebt. Und David auch nicht, er wurde in einem sehr wohlhabenden Zuhause aufgezogen", berichtet Robinette unter Tränen im TV-Sender NBC. "Ich bin so wütend, so sauer, so verletzt."
David Turpins Mutter Betty dagegen betonte gegenüber CNN, dass die Turpins eine "höchst respektable Familie" und "sehr fürsorgliche Eltern" seien. Ihre Enkel gingen nicht zur Schule, sondern würden zu Hause unterrichtet und sehr religiös erzogen, berichtet sie weiter. Wenn die Familie nach draußen ging, etwa auf einen der zahlreichen Ausflüge nach Disneyland, hätten die Eltern die Kinder stets gleich angezogen und nach Alter sortiert aufgereiht. Die Eltern hätten den Anfang und das Ende der Schlange gebildet. So sei es leichter gewesen, den Überblick zu behalten. Tatsächlich posieren die Kinder auf Facebook-Fotos oft in identischer Kleidung. Allerdings, so die Großmutter väterlicherseits, habe auch sie die Familie seit ungefähr fünf Jahren nicht gesehen.
Einwohner der 70.000-Einwohner-Stadt zeigten sich entsetzt über die Tragödie, die sich in ihrer Nähe abspielte. "Ich habe sie nie spielen sehen. Wir dachten, es seien geistig behinderte Kinder", zitiert die "Daily Mail" Ex-Nachbar Mike Clifford. Die Eltern hätten sie immer im Haus behalten. Wenn er die Kinder angesprochen habe, hätten sie sich "wie Roboter" verhalten. Sie seien im Obergeschoss oft stundenlang im Kreis marschiert. Mindestens zweimal im Monat hätten die Eltern einen Teil der Kinder kurz nach Mitternacht in ihren Minivan gepackt. "Dann fuhren sie davon." Clifford: "Warum fährt man ein halbes Dutzend Kinder mitten in der Nacht aus?"
Eine andere Nachbarin erinnert sich, dass sie einmal einige der Geschwister ansprach, als sie Weihnachtsdekoration aufhängten. "Sie froren ein, wenn ich sie ansprach und machten sofort dicht", berichtet Kimberly Milligan gegenüber CNN. Sie hätten "zu Tode verängstigt" gewirkt und kein Wort gesagt, obwohl sie sie zu beruhigen versuchte.
Die Frage nach dem Motiv
Warum David und Louise Turpin ihre eigenen Kinder so behandelten, ist weiter unklar. "Die Mutter war völlig perplex, als wir an die Tür geklopft haben. Es sind noch viele Fragen offen, aber wir werden Antworten bekommen", sagt der Polizeichef von Perris, Greg Fellows. Die Kinder seien physisch und psychisch missbraucht worden. Es gebe bisher aber keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch. Auch über eine eventuelle religiöse Motivation kann die Behörde noch nichts sagen.
Fest steht, dass die Geschwister angesichts der langen Phasen von "Hunger und Misshandlung" langfristig psychologische und psychiatrische Behandlung brauchen. Mark Uffer, Leiter des Regionalkrankenhauses von Corona, wo die erwachsenen Opfer aus dem Haus behandelt wurden, bezeichnete den Zustand der Patienten als "stabil". "Ich glaube, sie sind hoffnungsvoll, dass ihr Leben nach diesem Vorfall besser wird." Sie seien jetzt in einer "sehr sicheren und geschützten Umgebung".
Die kalifornische Polizei hatte am Sonntag das Martyrium der 13 Geschwister beendet, nachdem eines der Opfer sich selbst befreien konnte und den Notruf gewählt hatte. David und Louise Turpin sollen heute vor Gericht erscheinen. Dem Paar werden schwere Misshandlung und Kindesgefährdung vorgeworfen. Die Behörde spricht dabei sogar von "Folter".
Quelle: ntv.de, dsi