Brief von Papst Benedikt XVI.Opfervertreter: "Können es nicht mehr hören"

"Für Betroffene sind diese Art von 'Entschuldigungen' wirklich schwer erträglich": Die Initiative "Eckiger Tisch" kann mit dem Brief des früheren Papstes Benedikt XVI. zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche nicht viel anfangen. Sie wirft dem Kleriker vor, es nicht ehrlich zu meinen.
Die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" ist enttäuscht und wütend über den Brief von Papst Benedikt XVI. zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. "'Schmerz und Scham' - Betroffene können es nicht mehr hören", teilte die Initiative mit. "Das Statement des ehemaligen Papstes Benedikt reiht sich ein in die permanenten Relativierungen der Kirche in Sachen Missbrauch: Vergehen und Fehler seien geschehen, doch niemand übernimmt konkret Verantwortung."
Benedikt XVI. hatte in einer Stellungnahme bei Missbrauchsopfern seiner Kirche generell um Verzeihung gebeten, Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising, das ein vom Bistum beauftragtes Gutachten ihm vorwirft, aber über eine Gegendarstellung seiner Anwälte entschieden bestritten.
"Für Betroffene sind diese Art von 'Entschuldigungen' wirklich schwer erträglich. Sie dienen am Ende nur dazu, den Opfern die Verantwortung aufzuhalsen, wenn sie diese Art von Betroffenheitsbekundungen nicht angemessen zu würdigen vermögen", hieß es in der Mitteilung des "Eckigen Tisches". "Joseph Ratzinger bringt es nicht über sich, einfach festzustellen, es tue ihm leid, nicht mehr zum Schutz der seiner Kirche anvertrauten Kinder getan zu haben. Das wäre ein ehrlicher Satz."
Opfer sexuellen Missbrauchs stünden "mit leeren Händen da": "Auch nach zwölf Jahren keine Anlaufstelle, kein Opfergenesungswerk, keine angemessenen Entschädigungen. Und noch immer will die Kirche in Deutschland die Kontrolle über die Aufarbeitung nicht aus der Hand geben."
Kardinal Marx steht hinter Gutachtern
Positiv zum Schreiben Benedikts äußerte sich dagegen der aktuelle Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx. In einer knappen Stellungnahme betonte er aber auch, wie ernst sein Bistum das Gutachten nehme, dessen Ergebnisse die Anwälte des früheren Papstes anzweifeln. "Ich begrüße, dass sich mein Vor-Vorgänger im Amt des Erzbischofs von München und Freising, der emeritierte Papst Benedikt XVI., zu der Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei WSW in einem persönlich gehaltenen Brief geäußert hat", sagte Marx in München. Der frühere Kardinal Joseph Ratzinger bringe "in seinem Brief seine 'tiefe Scham', seinen 'großen Schmerz' und seine 'Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck'".
Marx stellte sich dabei hinter die von ihm beauftragten Gutachter: "Ich betone nochmals, dass die Erzdiözese und ich als Erzbischof das Gutachten, in dem es besonders im Blick auf die Leitungsebene auch um persönliche und institutionelle Verantwortung geht, sehr ernst nehmen und die Empfehlungen zusammen mit dem Betroffenenbeirat und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission aufgreifen werden."