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"Brauchen einen PISA-Ruck" PISA-Ergebnis schockt Arbeitgeber wie Gewerkschaften

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Wie bringt man das deutsche Bildungssystem wieder auf Trab?

Wie bringt man das deutsche Bildungssystem wieder auf Trab?

(Foto: picture alliance/dpa)

Die aktuelle PISA-Studie sorgt für eine böse Überraschung. Die Ergebnisse sind mitunter so schlecht wie noch nie. Stimmen aus Gewerkschaften, Industrie und dem IFO-Institut werden laut. Sie fordern weitgehende Reformen. Laut dem "Verband Bildung und Erziehung" braucht es nunmehr einen "PISA-Ruck".

Dass die deutschen Schülerinnen und Schüler im aktuellen PISA-Vergleich in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften so schlecht abschnitten wie noch nie, schockte Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und auch das Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung. Sie alle fordern Reformen am Bildungssystem, sehen aber unterschiedliche Ursachen für den Leistungsabfall.

Die Bildungsgewerkschaften machen vor allem den Lehrkräftemangel für das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler in der PISA-Studie verantwortlich. "Jetzt zeigt sich, was Mangel heißt", erklärte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft "Verband Bildung und Erziehung" (VBE), Gerhard Brand. "Vertretungsstunden und Schulausfall haben Konsequenzen."

Die Politik sollte dies als Warnruf annehmen, ihre Bemühungen bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels noch deutlich auszuweiten, forderte Brand. "Wir brauchen keinen zweiten PISA-Schock, sondern endlich einen PISA-Ruck", sagte Brand. Weitere Gründe für die schlechten Resultate sieht er in einer ungenügenden Digitalisierung der Schulen, den pandemiebedingten Schulschließungen und der großen sozialen Ungleichheit in Deutschland.

Die Gewerkschaft "Erziehung und Wissenschaft" (GEW) bezeichnete es als "Skandal", dass sich die Abhängigkeit der schulischen Leistungen der Kinder und Jugendlichen vom Elternhaus seit über 20 Jahren nicht verringert habe. "Deutschland hat seit Jahrzehnten sowohl ein Leistungs- als auch ein eklatantes Gerechtigkeitsproblem", erklärte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze. Sie kritisierte zudem ebenfalls einen "eklatanten Personalmangel". Es seien "massive Anstrengungen" notwendig, um viel mehr Lehr- und Fachkräfte zu gewinnen. "Das Thema gehört ganz oben auf die Agenda."

Die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack, sprach von "schockierenden Ergebnissen". Bund und Länder müssten sich "endlich auf wirksame Schritte für mehr Lehrkräfte, mehr Sozialarbeit und mehr individuelle Förderung von jungen Menschen einigen - und zwar sofort". Der DGB fordere vom Bund jetzt die Einrichtung eines Sonderfonds Infrastruktur, mit dem unter anderem "kräftig in Kitas und Schulen investiert werden kann".

Es braucht einen "revolutionären Neuanfang"

Erschrocken über die PISA-Ergebnisse zeigte sich auch die Arbeitgeberseite. Die aktuellen Befunde dokumentierten "die erschreckenden Ergebnisse der Bildungspolitik", betonte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. "Wenn die Verantwortlichen jetzt nicht umgehend handeln, ist ein Kompetenzverlust nicht mehr aufzuholen." Dulger forderte "einen fast schon revolutionären Neuanfang in unserem Bildungswesen". Sowohl die bisherigen Bildungsstandards als auch die Ausbildung der Lehrkräfte müssten auf den Prüfstand. Der Arbeitgeberpräsident mahnte eine gesicherte Digitalisierung und die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern an. "Das sind wir unseren Kindern schuldig." Dulger betonte: "Diese Köpfe sind der Baustoff unserer Zukunft und der Motor unseres Wohlstands."

Auch für den Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaft IG Metall sind die Ergebnisse ein Warnsignal. "Schulen müssen die Priorität bekommen, die das Thema Bildung verdient", betonten die Tarifparteien der Metall- und Elektro-Industrie in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Das gilt für allgemeinbildende Schulen ebenso wie für die Berufsschulen." Der Leistungsabfall bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen sei besonders besorgniserregend. Diese seien gerade für die auf Technologievorreiterschaft angewiesene Metall- und Elektro-Branche essenziell notwendig, ob in einem ingenieurwissenschaftlichen Studium oder der Ausbildung in den Facharbeitsberufen der Industrie.

Das IFO-Institut sieht in der PISA-Studie einen "Anlass zu größter Sorge", sagte Ludger Wößmann, Leiter des IFO Zentrums für Bildungsökonomik. "In Mathematik und Lesen liegen die Leistungen der 15-Jährigen ein ganzes Schuljahr hinter dem zurück, wo sie noch vor vier Jahren standen. Einen derartigen Rückgang der Bildungsergebnisse hat es noch nie gegeben. Mittlerweile sind die Leistungen sogar unter das Niveau gefallen, das vor gut 20 Jahren den ersten PISA-Schock ausgelöst hat." Wir müssten, sagt er weiter, als Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass alle Kinder und Jugendlichen die benötigten Basisfähigkeiten vermittelt bekommen. Denn der Leistungsrückgang koste Deutschland 14 Billionen Euro bis zum Ende des Jahrhunderts. Eine Rechnung für die Prognose legte er nicht vor.

Quelle: ntv.de, tkr/rts/dpa

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