Verteidigung der Ärmsten Papst Leo XIV. bietet der Politik die Stirn


Leo XIV. ist mehr als bereit, sich deutlich zu positionieren.
(Foto: IMAGO/Avalon.red)
Zu Robert Francis Prevost, dem neuen Papst Leo XIV., gab es im Konklave keine wirkliche Alternative. Er hat eine Vorstellung, wie die Katholische Kirche auf Armut, Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit reagieren muss. Ein Gegenentwurf zum Trumpismus.
"Trump ist nicht mehr der bedeutendste Amerikaner auf der Welt", das ist nun Robert Francis Prevost. Die Schlagzeile der "New York Times" bringt es auf den Punkt. Die Sympathie der Trump-Kritiker hat Papst Leo XIV. damit schon einmal - als 100-prozentiger Gegenentwurf zum US-Präsidenten.
Was kann sich die Welt von diesem 69-jährigen Augustinermönch erwarten? In der "Stahlstadt" Chicago geboren, im kleinen Örtchen Holland in Michigan auf einem Augustiner-College ausgebildet, dann Bachelor in Mathematik und Philosophie an der renommierten Pennsylvania-Universität und der Eintritt in den Augustinerorden. Es folgen Studien in Saint Louis, ein Doktor der Theologie in kanonischem Recht, weitere Studien der Juristerei des Vatikans. 15 Jahre ist Prevost Missionar unter den Armen Perus in Chulucanas und Trujillo, Bischof im dortigen Chiclayo, zwölf Jahre Prior des ganzen Augustinerordens. 2023 beruft ihn Papst Franziskus ins Amt für die Auswahl der neuen Bischöfe.
Ein Lebenslauf als Programm. Ein Mann, der sein Leben der konkreten Hilfe für die Armen der Dritten Welt gewidmet hat. Einer mit Leitungserfahrung als "Manager", der überzeugen konnte, beriet, zuhörte, nicht kommandierte. Und der wiederholt Lösungen für die menschengemachten Klima-Veränderungen eingefordert hat. Gerade die Ärmsten werden als erste von der nahenden Katastrophe betroffen sein, dann erst der Rest der Menschheit.
Keine Alternative im Konklave
Dank der vielen Plaudertaschen unter den Wahlkardinälen wissen wir recht genau, wie die Wahl im Konklave ablief: Es lief alles auf Prevost hinaus. Echte Alternativen gab es nicht. Ein afrikanischer Kardinal, der noch salopp meinte, in Afrika gäbe es keine Probleme mit Homosexuellen, weil es dort eben keine gäbe, hatte keine echten Wahlchancen. Der hoch gehandelte Kurienkardinal Pietro Parolin verpasste seine Chance, als er die Homilie auf dem Petersplatz aus Anlass des Heiligen Jahres der Jugend mit einer Langweiler-Rede versemmelte. Andere Mitfavoriten waren zu reformerisch oder zu rechts außen.
Der Heilige Geist hatte leichtes Spiel, für Prevost zu wirken. Es gab lediglich Zweifel, ob es nach dem Jesuiten Bergoglio wieder ein Ordensmann werden sollte, der erste Augustiner überhaupt in der Kirchengeschichte.
Die große Aufmerksamkeit für den 69-Jährigen, der von einer Versammlung von 133 zumeist älteren Herren aus 71 Ländern der Welt in 24 Stunden zum 269. Nachfolger des Apostels Petrus gewählt worden ist, erstaunt manchen. So unerklärlich ist das aber nicht: Papst Leo XIV. wird von 1,4 Milliarden Menschen auf der Welt als ihr geistlicher, moralisch-ethischer Referenzpunkt anerkannt. Seine Meinung zählt, auch bei Nicht-Gläubigen oder Anhängern anderer Religionen. Wie er sich zu den drängendsten Fragen der Menschheit stellt - Krieg, Frieden, Armut, Umwelt - das hat Gewicht.
Natürlich schleppt auch dieser Papst die Bürden der katholischen Kirche mit: Die Hälfte der Menschheit sind Frauen, die aber bei seiner Wahl und in seiner Kirche kein Mitspracherecht haben. Papst Leo XIV. wird sich auch der vielen Fälle des Missbrauchs durch Kirchenmänner an Schutzbefohlenen, Minderjährigen, Frauen und Männern in der Kirche stellen müssen. In seiner Kirche im Palast des Dikasteriums für die Glaubenslehre lagern Zehntausende kircheninterne Aktenvorgänge zu Missbrauchsfällen durch Kleriker in der ganzen Welt. Die Opfer und ihre Angehörigen verlangen seit Langem, dass diese Archive geöffnet werden.
Ein neuer Leo
Was wissen wir nun über das "kirchenpolitische Programm" des neuen Papstes? Eine Redensammlung gibt es bis dato nicht, aber zwei wichtige Fakten liegen auf dem Tisch. Das Wichtigste: die Namenswahl. Vor den Kardinälen hat Papst Leo XIV. es klipp und klar erklärt. Er fühlt sich Leo XIII. direkt verbunden, dem Papst, der von 1878 bis 1903 Papst war und die katholische Sozialethik entwickelt hat. Mit seiner Enzyklika Rerum Novarum wollte Papst Leo XIII. einen Damm gegen die sozialistischen Ideen in der Arbeiterschaft errichten: Extrem deutlich kritisierte er Ausbeutung, ungerechte Löhne, als "Unrecht, das zum Himmel um Rache schreie".
Prevost bezog sich direkt auf den Namensvorgänger, der die Kirche mit den Folgen der ersten industriellen Revolution befasste und die Verteidigung der Arbeiterrechte, der Geringsten, zu Kernaufgaben einer sozialpolitisch aktiven Kirche erklärte. Nun stehe die Menschheit inmitten der zweiten industriellen Revolution. Die Künstliche Intelligenz könnte sich zum Segen entwickeln, aber auch das Gegenteil bedeuten. Klar ist: Dieser Papst hat - wie sein Namensvorgänger - ein eminent politisches Programm. Seine Kirche wird sich nicht in den Beichtstuhl zurückziehen, sondern das Heilsversprechen im Hier und Jetzt predigen, auch wenn ihm aus der Politik das Gegenteil geraten wird.
Kernpunkt seines Papsttums ist die Unteilbarkeit der Menschheit: Es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse, alle haben dieselben Menschenrechte auf ein sicheres Leben und Gerechtigkeit. Prevost postuliert die unbedingte Pflicht, die Reiche und Mächtige für das Heil der gesamten Menschheit haben. Schon der 18-seitige Brand-Brief von Papst Franziskus an die US-Bischofskonferenz, noch im Februar dieses Jahres verfasst, floss ganz wesentlich aus seiner Feder. Die Massendeportationen von armen Migranten aus den USA zurück nach Lateinamerika seien in keiner Weise zu rechtfertigen. Eine ähnliche scharfe Kritik hatte man zuletzt nur beim Brief von Pius XI. "Mit brennender Sorge" an die deutschen Katholiken gehört - gegen die Politik Hitlers gerichtet.
Die Reichen und Mächtigen erinnerte Papst Leo XIV. daran, sich klein und demütig zu machen, sich nicht im Glanze ihrer Macht und Geldes selbst zu spiegeln, sondern die Verantwortung zu übernehmen, Barmherzigkeit zu üben.
Ein härterer politischer Gegenentwurf zum Trumpismus ist kaum vorstellbar. Der US-Präsident mag viele katholische Wähler haben, aber die Kirche hat er nicht. Den katholischen Bischöfen zu unterstellen, dass sie sich an den staatlichen Geldern der Dritte-Welt-Hilfe USAID bereichert hätten, hat die untereinander mehr als zerstrittenen Bischöfe wieder geeint: Hinter Prevost, den am meisten verehrten Amerikaner auf der Welt.
Quelle: ntv.de