Ämter völlig überlastet Sachsens sinkende Zahlen sind kein gutes Zeichen
07.12.2021, 12:39 Uhr
In Sachsen gelten strenge Corona-Regeln. Die Gründe für sinkende Zahlen im Freistaat sind aber andere.
(Foto: imago images/localpic)
Auffällige Bewegungen in den RKI-Daten: In Sachsen bricht das Fallaufkommen über Nacht scheinbar deutlich ein. Von Entspannung kann im Freistaat aber keine Rede sein. Die Zahlen stehen unter dem Einfluss von Ämtern und Behörden, die mit Nachverfolgung und Meldung der Fälle überfordert sind.
Die Sieben-Tage-Inzidenz im Corona-Hotspot Sachsen ist nach einer am Dienstag vom Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Statistik deutlich gesunken. Demnach betrug die Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am Dienstag 1082,1, nachdem sie am Montag bei 1234,4 gelegen hatte. Allerdings gibt es starke Zweifel an den Zahlen, weil offensichtlich nicht alle Daten aus dem Freistaat an das RKI übermittelt werden konnten.
Die in Sachsen für die Fallübermittlung zuständige Landesuntersuchungsanstalt habe den Datenexport wie üblich erstellt, teilte das Sozialministerium Sachsen auf Anfrage von ntv.de mit. Die Daten konnten demnach beim RKI nicht hochgeladen werden. Ursache war nach Angaben des Ministeriums eine Panne beim Sächsischen Informatik Dienst (SID). "Das gestrige Exportproblem hing nach derzeitigem Stand wohl mit einer Lastumschaltung des SID in Vorbereitung auf Wartungsarbeiten im Netzwerkbereich zusammen", teilte die Behörde mit. Die Landesbehörde hatte die fehlenden Angaben am Morgen nachträglich ans RKI gesendet.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hatte wiederholt klargestellt, dass wegen Überlastung der Ämter womöglich nicht alle Infektionszahlen pünktlich gemeldet werden können. Das Landratsamt Zwickau zum Beispiel räumte am Dienstag auf dpa-Anfrage ein, dass es einen "Erfassungsrückstand" im Gesundheitsamt gebe. Auch in der Behörde falle Personal aus, wegen Infektionen und Quarantäneanordnungen.
Kontaktverfolgung in vielen Ämtern eingestellt
Angesichts der hohen Infektionszahlen haben viele Gesundheitsämter in Sachsen inzwischen die aktive Kontaktverfolgung von Infizierten eingestellt. Menschen mit einem positiven Corona-Testergebnis müssen vielerorts ihr Umfeld selbst informieren, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in einigen Städten und Landkreisen ergab.
Dresden etwa habe sich bisher bemüht, immer den individuellen Kontakt mit Betroffenen herzustellen, sagte Frank Bauer, Leiter des Gesundheitsamts. "Angesichts der immensen Fallzahlen ist dies jedoch nicht mehr leistbar." Daher sei das Verfahren seit dem 1. Dezember umgestellt. Seitdem werden Infizierte nicht mehr angerufen, sondern erhielten zusammen mit den im Haushalt lebenden Personen eine schriftliche Information.
Im Erzgebirgskreis sollen sich positiv getestete Menschen "eigenverantwortlich" in Quarantäne begeben. In Chemnitz müssen Infizierte seit zwei Wochen selbstständig ihre Kontaktpersonen informieren. Im Landkreis Görlitz rufen Mitarbeiter des Gesundheitsamts zwar noch Kontaktpersonen an - allerdings nur unter Berücksichtigung der "vulnerablen Gruppen".
Sachsen hat seit Längerem die höchste Inzidenz in Deutschland. Zuletzt lagen die Nachbarländer Thüringen (1023,1) und Sachsen-Anhalt (907,7) auf den Plätzen zwei und drei. Bundesweit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI aktuell bei 432,2. Von Montag auf Dienstag meldeten die Gesundheitsämter für Sachsen allerdings nur 949 Neuinfektionen. Auch diese Angabe gibt einen Hinweis darauf, dass nicht alle Fälle vom RKI erfasst sein können. Zu Wochenbeginn hatten die sächsischen Landesbehörden noch 4242 Neuinfektionen gemeldet. Zuletzt war die Zahl mehrmals sogar fünfstellig.
In Sachsen weisen die beiden Landkreise Meißen und Mittelsachsen mit Werten von 2380,9 beziehungsweise 1606,8 das aktuell höchste Fallaufkommen auf. Der niedrigste Wert in Sachsen wurde mit 627,5 in der Stadt Leipzig registriert. Am Nachmittag wird das sächsische Sozialministerium wie üblich eigene Fallzahlen zur Pandemie-Lage in Sachsen veröffentlichen - unabhängig von den technischen Problemen beim RKI. Aufgrund der ausstehenden Nachmeldungen ist dann beim RKI am Mittwochmorgen wieder mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen zu rechnen.
Quelle: ntv.de, mba/dpa