Panorama

Sondervergütung fällt wegLohnt sich ein PCR-Test für Ärzte noch?

06.04.2022, 16:15 Uhr
imageVon Marc Dimpfel
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Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisiert den Wegfall der Vergütung. (Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

Die Verlängerung der Testverordnung gewährleistet allen Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu PCR-Abstrichen bis Ende Juni. Liegt lediglich ein Krankheitsverdacht vor, bekommen Arztpraxen die Tests jedoch nicht mehr sondervergütet. Welche Folgen hat das?

Mehr als 180.000 Neuinfektionen meldet das Robert-Koch-Institut am heutigen Dienstag. Seit Wochen fügen die Expertinnen und Experten hinzu, dass sie von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgehen. Denn nur, wer die eigene Infektion durch einen PCR-Test bestätigen lässt, fließt in die Statistik mit ein. Wohl ein Hauptgrund für die aktuelle Unterfassung: Eine Laborbestätigung der Corona-Infektion ist schon länger nicht mehr notwendig. Bei hohen Fallzahlen wie in der aktuellen Omikron-Welle reicht laut den Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums ein korrekt durchgeführter, positiver Schnelltest aus, um sich in Isolation oder Quarantäne begeben zu müssen und sich entsprechend wieder frei zu testen.

Mit der Verlängerung der ursprünglich am 30. März auslaufenden Testverordnung bis einschließlich zum 29. Juni durch den Bund haben grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger zunächst Anspruch auf einen kostenlosen Bürgertest. In den Teststellen darf dieser nur bei Personen vorgenommen werden, die keine Symptome haben, welche auf Covid-19 hindeuten. Fällt der Test trotzdem positiv aus, bieten einige Apotheken und Testzentren eine PCR-Nachtestung an. Haben Patientinnen und Patienten keinen positiven Schnelltest, aber Symptome, sollen sie sich an eine Arztpraxis wenden. Bei hoher Laborauslastung werden vulnerable Personen und Beschäftigte im Gesundheitswesen priorisiert.

Soweit also alles beim Alten. Eine, auf den ersten Blick kleine Änderung in der Nationalen Teststrategie könnte jedoch größere Auswirkungen mit sich bringen. Denn bis zum 31. März bekamen Arztpraxen die PCR-Tests bei gesetzlich Krankenversicherten über die Testverordnung sondervergütet. Diese Pauschale wurde in den vergangenen Monaten immer weiter gekürzt und lag zuletzt laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei acht Euro, mit denen personeller und zeitlicher Mehraufwand honoriert wurde. Seit dem 1. April gilt dies nur noch für die PCR-Bestätigung eines positiven Schnelltests.

Liegt dieser nicht vor, wird der Abstrich laut Testverordnung als "nicht gesondert abrechnungsfähige Leistung" gewertet und fällt damit unter den Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Damit ist die Pauschale gemeint, die Arztpraxen pro Patientin oder Patient im Quartal erhalten, unabhängig vom Umfang oder Häufigkeit der Behandlung. Bei Patienten bis 55 Jahre sind das rund 16 Euro, bei Älteren steigt die Pauschale auf knapp über 30 Euro.

Zusatzkosten drohen

Die Befürchtung liegt nahe, dass Arztpraxen ihr PCR-Angebot vermehrt einstellen könnten, weil es für sie nicht mehr lukrativ ist oder sogar Unkosten anfallen. Dabei stellen Arztpraxen für symptomatische Personen ohne vorheriges Schnelltest-Ergebnis die einzige Möglichkeit dar, an einen kostenlosen PCR-Test zu gelangen. Das führt, wenn beide Seiten sich an die Vorgaben halten, zu einem Dilemma. Wer dennoch einen PCR-Test haben möchte, müsste diesen aus eigener Tasche bezahlen.

Dem steht die heutige Forderung von KBV-Chef Andreas Gassen entgegen, der dafür plädierte, anlasslose Bürgertests zu stoppen und sich stattdessen auf PCR-Tests bei symptomatischen Patienten zu fokussieren. "Anlasslose Bürgertests bringen sehr wenig und kosten sehr viel. Das sollte aufhören! Vielmehr ist es richtig, sich auf verlässliche PCR-Tests bei symptomatischen Patientinnen und Patienten zu konzentrieren und diese vollumfänglich zu fördern", hieß es in einer Pressemitteilung.

Eine weitere Sorge: Wenn viele Arztpraxen zukünftig auf PCR-Tests verzichten, würde das die Inzidenz noch weiter künstlich drücken. Für die KBV ist der Einfluss der Ärztinnen und Ärzte auf das gesamte Testgeschehen jedoch verhältnismäßig gering. Demnach wurden im dritten Quartal 2021 rund 5,4 Millionen PCR-Tests von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Zum Vergleich: Insgesamt meldeten die Labore allein für die vergangene Woche etwa 1,86 Millionen Tests. "Die große Menge an PCR-Tests stellen Testungen bei Patienten dar, die keine oder geringe Symptome aufweisen und zuvor einen Schnelltest mit positivem Ergebnis hatten", teilte die KBV auf Anfrage von ntv.de mit.

Inzidenz ist weiter hoch

"Wir sehen den Wegfall der Vergütung für den Abstrich kritisch, da ja die Inzidenzzahlen weiterhin hoch sind", so die KBV. Man befinde sich derzeit in Gesprächen mit den Krankenkassen. Wie sich die Auswirkungen letztlich darstellen, sprich, ob die Testkapazität der Arztpraxen tatsächlich zurückgeht, bleibt abzuwarten. Die Gefahr, dass ein weiteres Puzzleteil in der Teststrategie verloren geht, besteht jedoch.

Laut Expertinnen und Experten ist in den nächsten Wochen mit vielen weiteren Ansteckungen zu rechnen. Zugleich sind Test- und Maskenregeln vielerorts nicht mehr verpflichtend. Selbst Isolation und Quarantäne werden ab dem 1. Mai freiwillig sein. Dabei wird das Infektionsgeschehen in der Inzidenz schon längst nicht mehr verlässlich abgebildet.

Das könnte mit Blick auf die Zukunft zum Problem werden. Denn auch wenn Omikron bei vielen Menschen nur milde Symptome hervorruft, sind die Langzeitfolgen durch Long Covid noch nicht abzusehen. Ein diagnostisches Verfahren, um Long Covid festzustellen, gibt es noch nicht. Ansprüche nach Arbeitsausfällen oder für künftige Therapiehilfen sind noch ungeklärt. Wenn bei immer mehr Menschen eine PCR-Bestätigung der Infektion ausbleibt, könnte damit ein wichtiger Diagnosebaustein fehlen.

Quelle: ntv.de

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