Prozess um Kölner StadtarchivStaatsanwalt fordert Bewährungsstrafen

Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs starben 2009 zwei Menschen. Vor Gericht müssen sich dafür mehrere Bauleiter verantworten. Die Anklagebehörde wirft ihnen schwere Versäumnisse vor. Auch der Standort Deutschland habe Schaden genommen.
Mehr als neuneinhalb Jahre nach dem verheerenden Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Staatsanwaltschaft für drei Angeklagte auf zweimal ein Jahr und einmal zehn Monate Haft jeweils zur Bewährung plädiert. Die Beschuldigten, zwei Bauleiter und ein Bauüberwacher, hätten ihre Sorgfaltspflichten schwerwiegend verletzt. Für die vierte Angeklagte wurde Freispruch beantragt.
Das Archivgebäude war am 3. März 2009 bei U-Bahn-Bauarbeiten eingestürzt. Zwei Anwohner starben, Unmengen Archivalien wurden unter Schuttbergen begraben. Laut Anklage waren Fehler beim U-Bahn-Bau Ursache für die Katastrophe, bei der Schaden von mehr als einer Milliarde Euro entstand. Ein Urteil in dem Prozess vor dem Kölner Landgericht dürfte noch im Herbst fallen.
In seinem Plädoyer am 45. Verhandlungstag legte Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich drei der Angeklagten fahrlässige Tötung und in zwei Fällen auch Baugefährung zur Last. "Die Sorgfaltspflichtverletzung aller Angeklagten wiegen schwer", sagte Elschenbroich. Sie hätten als Bauleiter und bei der Bauüberwachung "gegen die einfachsten und grundlegendsten Regeln verstoßen", nämlich ihre Pflichten zur Prüfung, Kommunikation und Dokumentation im Zusammenhang mit der Kölner U-Bahn-Großbaustelle missachtet.
Baufehler hätten erkannt werden müssen
Elschenbroich betonte, die technische Ursache für den Einsturz des Archivgebäudes in der Kölner Südstadt habe zwar bei einem Polier und seinem Baggerführer gelegen. Diese hätten beim U-Bahn-Bau 2005 offenbar vorsätzlich das Erdreich für die Errichtung einer Schutzwand nicht vollständig ausgebaggert. Der Polier und der Baggerführer sind erkrankt und sitzen deshalb nicht auf der Anklagebank im Kölner Landgericht.
Aus Sicht der Anklage hätten jedoch die beiden Bauleiter privater Firmen und der durch die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) mit der Bauüberwachung beauftragte dritte Angeklagte die mutmaßlichen Baufehler erkennen müssen. Dies sei durch Versäumnisse bei Prüfung und Kontrolle der Bauarbeiten für eine große unterirdische Gleiswechselhalle aber nicht geschehen.
Das Archivgebäude war in die Baugrube gestürzt, nachdem laut Staatsanwaltschaft große Mengen Erdreich und Kies durch die Fehlstelle in der Schutzwand ausgetreten waren. Dadurch sei dem Stadtarchiv gleichsam der Boden unter dem Fundament entzogen worden. Die Verteidiger verwiesen in dem Strafprozess dagegen bislang darauf, dass die Unglücksursache nicht zweifelsfrei feststehe.
Fachleute waren verwundert über Einsturz
Elschenbroich erinnerte in seinem Plädoyer an die beiden getöteten Bewohner eines mit in die Tiefe gerissenen Nachbarhauses des Archivs und fügte hinzu, bei dem Einsturz seien mehr als zwei Dutzend Menschen "nur mit knapper Not dem Tod entronnen". 36 Menschen hätten ihre Wohnung verloren. Durch den Einsturz habe der Hightech-Standort Deutschland "beträchtlichen Schaden" erlitten: Fachleute hätten sich ob des Einsturzes verwundert die Augen gerieben.
In dem Prozess hatten dem Oberstaatsanwalt zufolge Augenzeugen eindrucksvoll den verhängnisvollen Moment des Unglücks geschildert. So sagten Zeugen demnach aus, dass ein Wasser-Kies-Sand-Gemisch kurz vor dem Archiveinsturz in die Baugrube geströmt sei.
Andere Zeugen berichteten von "spinnenwebenartigen Rissen", die daraufhin in der Fassade des Archivgebäudes aufgetreten seien. Danach sei das mehrstöckige Haus, eines der bedeutendsten Kommunalarchive Europas, "keilförmig in die Grube" der U-Bahn-Baustelle gefallen.