Flutkatastrophe von Ahrweiler Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Landrat
06.08.2021, 11:15 Uhr
Mindestens 141 Menschen sterben bei der Flutkatastrophe im Landkreis Ahrweiler. Der Tod vieler Anwohner hätte anscheinend verhindert werden können: Die Staatsanwaltschaft Koblenz wirft dem Landrat fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen vor.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat Ermittlungen gegen den Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, wegen der Flutkatastrophe vor rund drei Wochen aufgenommen. Gegen ihn bestehe der Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen, teilen die Behörde und das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt mit. Zudem werde gegen ein weiteres Mitglied des Krisenstabs ermittelt.
Der Anfangsverdacht richtet sich gegen den Landrat, weil dieser laut Gesetzeslage "möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt hatte". Das Verfahren richte sich zudem gegen ein weiteres Mitglied des Krisenstabs, das nach den derzeitigen Erkenntnissen die Einsatzleitung "zumindest zeitweise übernommen hatte", erklärte die Staatsanwaltschaft weiter.
Laut Justiz haben sich Hinweise darauf ergeben, nach denen die noch nicht von der Flutwelle betroffenen Bewohner des Ahrtals am 14. Juli spätestens um 20.30 Uhr hätten gewarnt und in Sicherheit gebracht werden müssen. Dies soll laut Anfangsverdacht nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder erst verspätet geschehen sein.
Um die Vorwürfe aufzuklären, hat die Staatsanwaltschaft Unterlagen aus der Kreisverwaltung an sich genommen. Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) seien ebenfalls vor Ort gewesen, teilt die Kreisverwaltung in Ahrweiler mit. Alle gewünschten Daten, Unterlagen und Materialien seien "sofort und kooperativ bereitgestellt" worden.
Mindestens 141 Tote und 16 Vermisste
Ein Unterlassen soll für einen Teil der Todesfälle und Verletzten mitursächlich gewesen sein. Eine Auswertung habe ergeben, dass die getöteten Menschen überwiegend ahrabwärts schwerpunktmäßig in Bad Neuenahr-Ahrweiler gestorben seien. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz mitgeteilt, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen.
Extremer Starkregen hatte vor drei Wochen verheerende Überschwemmungen an Flüssen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ausgelöst. Viele Gemeinden, insbesondere im rheinland-pfälzischen Ahrtal, wurden unter Wasser gesetzt und verwüstet. Dort kamen mindestens 141 Menschen ums Leben, weitere 16 werden noch immer vermisst. Die Einsatzleitung zählte insgesamt 766 Verletzte. Rund 42.000 Menschen sind von den Folgen des Hochwassers betroffen.
Vor der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft eine Mail-Adresse für die Sammlung von Hinweisen zur Flutkatastrophe an der Ahr eingerichtet. Im Kern geht es unter anderem darum, ob Warnungen zu spät erfolgt sind. Landrat Pföhler hatte eigentlich für Freitagvormittag zu einem Pressetermin zur aktuellen Situation eingeladen. Dieser Termin wurde kurzfristig abgesagt.
Quelle: ntv.de, chr/AFP/dpa