Deutschland übt Warnmix Was Sie zum bundesweiten Warntag wissen müssen
12.09.2024, 06:14 Uhr Artikel anhören
Unter anderem klingeln die Handys mit einer amtlichen Gefahrenwarnung.
(Foto: dpa)
Seit der Pleite beim Warntag 2020 wird die entsprechende Infrastruktur jedes Jahr getestet. So soll die Reaktion im Ernstfall zuverlässig eingeübt sein. Um 11 Uhr schrillen die Handys.
Wie läuft der Warntag ab?
Gegen 11 Uhr löst das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) über das sogenannte Modulare Warnsystem des Bundes eine Probewarnung aus. Diese wird an sogenannte Warnmultiplikatoren geschickt.
Dabei handelt es sich um Warn-App-Betreiber wie die vom Bundesamt betriebene Warn-App Nina, um Hilfs- und Rettungsdienste oder Medien, insbesondere Fernseh- und Radiosender. Aber auch Firmen wie die Bahn oder Betreiber digitaler Anzeige- und Stadtinformationstafeln gehören dazu. Diese sind verpflichtet, die Warnungen zu veröffentlichen.
Die von den Behörden vorformulierten Warnmeldungen werden dann sofort im Radio verlesen, auf Medienseiten im Internet eingespielt, erscheinen als Push-Nachrichten auf Smartphones oder auf rund 7900 Anzeigentafeln im Stadtbild und an Bahnhöfen. Wer Warn-Apps wie Nina oder Katwarn auf seinem Smartphone installiert hat, sollte auch auf diesem Weg einen Hinweis auf die Probewarnung bekommen.
Die Kommunen und ihre örtlichen Katastrophenschutzbehörden können außerdem zusätzliche Warnmittel wie Lautsprecherwagen und Sirenen einsetzen. Die Entwarnung soll am Donnerstag dann um 11.45 Uhr auf fast allen Warnkanälen kommen. Lediglich über den Mobilfunkdienst Cell Broadcast wird laut BBK keine Entwarnung versendet.
Wozu dient der Warntag?
Mit dem jährlichen Warntag sollen die für Not- und Katastrophenfälle zur Verfügung stehenden Warnsysteme geprüft und technische Abläufe getestet werden. Der Stresstest soll vor allem Schwachstellen aufdecken. Gleichzeitig ist der Warntag eine Übung, um Menschen mit den Abläufen bei behördlichen Alarmierungen vertraut zu machen und für das Thema zu sensibilisieren.
So will das dem Bundesinnenministerium unterstellte BBK herausfinden, wie viele Menschen eine Warnung vor Gefahren im Ernstfall erreichen würde. Eine Online-Umfrage des BBK hatte nach dem Warntag im September 2023 gezeigt, dass damals rund 96 Prozent der Menschen in Deutschland auf dem einen oder anderen Weg von dem Probealarm erfahren hatten.
Drei Viertel der Teilnehmer der Befragung gaben damals an, sie hätten eine Warnung per Cell Broadcast erhalten. Bei Cell Broadcast geht die Warnung an alle dafür vorbereiteten Handys in einer bestimmten Funkzelle. Damit werden auch Touristen und andere Menschen mit ausländischen Mobilfunknummern erreicht, die sich gerade in Deutschland aufhalten.
Was genau ist Cell Broadcast?
Der Mobilfunkdienst ermöglicht das massenhafte Versenden von Warnnachrichten über das Mobilfunknetz direkt aufs Handy. Der Dienst funktioniert ohne App. Voraussetzung ist, dass das jeweilige Betriebssystem auf dem aktuellsten Stand ist, zudem muss das Handy eingeschaltet und darf nicht im Flugmodus sein.
Ältere Geräte können Cell-Broadcast-Nachrichten zum Teil nicht empfangen. Die Nachrichten sind außerdem relativ kurz und können nur rudimentäre Informationen vermitteln. Cell Broadcast gehört mittlerweile neben Warn-Apps und Sirenen zu den reichweitenstärksten und effektivsten Warnmitteln.
Wie liefen die bisherigen Warntage?
Der erste bundesweite Warntag im September 2020 endete im Desaster, weil sich die zentrale Testwarnung des BBK um 30 Minuten verzögerte. Der damalige Behördenchef Christoph Unger musste seinen Hut nehmen, die Behörde wurde neu ausgerichtet.
2021 fiel der Warntag wegen der noch andauernden Verbesserungen der Alarmsysteme nach den Pannen des Vorjahres und den Erfahrungen bei der Flutkatastrophe im Sommer in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aus. Damals wurde die Bedeutung von Warnsystemen überdeutlich, als Menschen nicht rechtzeitig über die drohende Gefahr informiert wurden. Eine breite Debatte über Verbesserungen kam in Gang.
Beim Warntag am 8. Dezember 2022 wurden nach Angaben des BBK dann mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland über mindestens einen Warnkanal erreicht. Erstmals großflächig erprobt wurde vor zwei Jahren auch das neue Cell-Broadcasting-System, das auf Anhieb 54 Prozent der Menschen erreichte. Beim Warntag 2023 waren dies bereits 72 Prozent. Insgesamt wurden 96 Prozent der Menschen im vergangenen Jahr über irgendeinen Kanal erreicht.
Wie steht es um die Warneinrichtungen und Katastrophenschutz?
Das bundesweite Cell-Broadcasting-System wurde aufgebaut. Vielerorts sind in den vergangenen Jahren zudem alte Sirenen ertüchtigt oder neue moderne Sirenen installiert worden. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die verheerende Flut im Ahrtal 2021 ist bei vielen Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen die Überzeugung gewachsen, dass auch dieses Warnmittel für die Alarmierung der Bevölkerung in Krisen- und Katastrophenlagen zur Verfügung stehen sollte. Der Bund förderte den Ausbau des Sirenen-Netzes mit fast 90 Millionen Euro.
Ein bundesweiter Überblick, wo überall Sirenen vorhanden sind und wo es regional Lücken gibt, fehlt allerdings immer noch, wie eine Sprecherin des BBK auf Nachfrage einräumt. "Die Nachverdichtung von Sirenenstandorten liegt in kommunaler Hand und wird durch Bund und Länder mittels Förderprogrammen unterstützt", teilt das Bundesamt mit. Der Prozess zum Austausch der entsprechenden Standortdaten zwischen Bund, Ländern und Kommunen werde "gegenwärtig optimiert, sodass von einem zukünftig genaueren Datenbestand ausgegangen wird."
Im September 2023 war der Präsident der Behörde, Ralph Tiesler, noch davon ausgegangen, dass es 2024 ein vollständiges und aktuelles Bild von den in Deutschland aufgestellten funktionstüchtigen Sirenen geben werde. "Das bundesweite Sirenenkataster soll im Laufe des kommenden Jahres als Plattform mit tagesaktuellen Daten zur Verfügung stehen", erklärte er damals.
Wird die Wirksamkeit des Warntags überprüft?
Ja, zeitgleich mit dem Warntag startet eine Umfrage. Bürger können auf der Webseite warntag-umfrage.de ihre Erfahrungen mit der Probewarnung teilen. Erfragt wird beispielsweise, ob der Betreffende die Probewarnung über Cell Broadcast empfangen, im Radio oder über einen anderen Kanal gehört hat. Die Umfrage endet am 19. September. Das BBK wertet die Daten aus und veröffentlicht später einen Bericht.
Quelle: ntv.de, sba/AFP/dpa