Abschied von der großen Reform Weltsynode versucht nur noch den "Laden zusammenzuhalten"


Papst Franziskus will nicht der Papst sein, der eine weitere Spaltung herbeiführt.
(Foto: IMAGO/Content Curation)
Die katholische Weltsynode in Rom beginnt. Aber die strittigen Themen wie Frauenpriestertum, Homosexualität oder Missbrauch kommen nicht zur Abstimmung. Der Papst hat sie kurzerhand ausgelagert.
Auf dem Weg zu einer großen Reform der Kirche an Haupt und Gliedern verlässt den Papst der Mut. Die katholische Weltsynode, die am Mittwoch beginnt, darf nicht mehr abstimmen über Frauenpriestertum, Homosexualität oder Missbrauch. Diese Vor-Entscheidung nimmt der Weltsynode die Schärfe der harten Debatten, bei denen die strittigen Themen wie Frauenpriestertum und Einschätzung der Homosexualität eigentlich zur Abstimmung gestellt werden sollten. So war es im Herbst 2023 auf der vorletzten Etappe der Weltsynode noch geschehen.
Das Treffen in Rom ist die letzte Etappe eines umfassenden Diskussionsprozesses über die Zukunft der römischen Kirche, der bereits 2021 überall auf der Welt begonnen hatte. In Rom kommen 368 stimmberechtigte "Synodale Väter und Mütter" zusammen, 53 von ihnen sind Frauen, dazu kommen knapp 100 Beobachter. Alle strittigen Themen lagerte der Papst in kleine Arbeitsgruppen von ihm benannter Experten aus, die nur ihm bis Juni 2025 Bericht erstatten werden. Entscheiden wird dann allein der Papst.
Das Treffen solle "synodal" sein, so der Papst: Dies Adjektiv meint dabei die gemeinsam zu tragende Verantwortung der ganzen Kirche, aller ihrer Mitglieder, im Sinne der gemeinsam in die Welt zu tragenden christlichen Botschaft, in der Nachfolge der von Jesus und den Aposteln vorgelebten Mission.
Kirche ist keine Demokratie
Beim letzten Treffen 2023 hatte die Synode noch geradezu revolutionäre Entscheidungen getroffen. Mit 277 zu 69 stimmte die Synode vor einem Jahr dafür, dass die Frauen eine deutlich größere Rolle in der Kirche bekommen sollten: Dass man theologisch überprüfen müsse, ob es nicht ein Frauen-Diakonat geben könne, also eine Rolle als Priesterin denkbar sein sollte.
Eine für Traditionalisten unerträgliche Vorstellung. Tatsächlich opponierten sie nach der letzten Synode auf jede erdenkliche Weise beim Papst. Es dürfe auf der diesjährigen Abschluss-Synode keinen Beschluss für Frauen-Priesterschaften geben, darauf drängten Traditionalisten. Der Papst kommt ihnen nun entgegen: Eine Abstimmung zum Thema wird es nicht mehr geben.
"Bedenken Sie, in der Weltkirche gibt es eben sehr viele konservative Ortskirchen, gerade im Süden der Welt und in den USA", sagt Kardinal Walter Kasper ntv.de. Er war früher einer der engsten Berater des argentinischen Papstes und einer der Organisatoren im Hintergrund für dessen Wahl zum Pontifex. Der Kurienkardinal erlebt in Rom selbst die immer stärker werdenden zentripetalen Kräfte in der Weltkirche, die sie auseinanderzureißen drohen. Wen der Kardinal damit meint, ist unschwer zu erraten. Während die deutschen Katholiken mehrheitlich den Reformvorschlägen des vergangenen Jahres gegenüber offen sind, auch offen über "systemische" Ursachen des Missbrauchs in der Kirche als rein von Männern geleiteter Organisation reden wollen, ist dieses Thema in weiten Teilen der Welt ein absolutes Tabu. Die Kirche ist heilig, kann als Organisation keine Sünden geduldet haben und damit basta!
Das Motto des Papsttums von Franziskus scheint nicht mehr gemeinsam, synodal, einen neuen Aufbruch zu wagen, sondern eher zu sein: "Den Laden noch zusammenhalten." Der Widerstand gegen Veränderungen ist enorm. Schon die Methode der gemeinsamen Diskussionsrunden aus Laien, Experten, Mönchen, Nonnen und Bischöfen hat viel Widerspruch gefunden. 26 Teilnehmer aus dem vergangenen Jahr mussten ersetzt werden, weil sie nicht mehr wiederkommen wollten. Kirche sei keine Demokratie, heißt es von den Konservativen, sondern Annahme der Botschaft, Hingabe, vor allem durch die Frauen, und Gehorsam gegenüber dem Papst.
"Die Frau ist fruchtbare Aufnahme"
Der Knackpunkt aber ist und bleibt die Rolle der Frau in der Kirche. Papst Franziskus hat dazu bei seinem Besuch in Belgien letzte Woche sehr deutlich Stellung bezogen. Aber nicht so, wie es sich auch die Basischristen von "Wir sind Kirche" wünschen, die die Frauenordination unbedingt wollen. In seiner Rede aus Anlass der 600-Jahr-Feier der katholischen Universität im wallonischen Louvain-la-Neuve zeichnete der Papst ein sehr antiquiertes Frauenbild: "Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe", sagte er. "Es ist hässlich, wenn die Frau sich zum Mann machen will" und "Die Frau ist Frau und das ist wichtig." Der "Feminismus" habe nichts in der Kirche zu suchen, das konnte man nicht anders verstehen als einen Frontalangriff auf die Rechte von Frauen.
Die Rektorin katholischen Universität im wallonischen Louvain-la-Neuve, Françoise Smets widersprach ihm sofort: "Die UC Louvain kann nur ihre Uneinigkeit mit dieser deterministischen und reduzierenden Position zum Ausdruck bringen", hieß es von der Universität im Anschluss. Die Rektorin sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei Fakt, dass sich auch Männer um die Familie kümmern können: "Frauen sollten in der Lage sein, auch abseits vom Kümmern Verantwortung zu übernehmen."
Das Frauenbild von Papst Franziskus ließe es ganz offenkundig nicht zu, so Frauenrechtlerinnen in Rom, dass Frauen in der Katholischen Kirche eine wie auch immer nur geartete Entscheidungsbefugnis bekommen, außer über die Art der Nudelsauce, rot, weiß oder mit Pilzen, und die Farbe der Tischdecke, auf der sie dem Herrn Bischof die Speisen kredenzen sollten. Als Trost würde den Frauen das "Wunder der Kirche selber als dienende Frau" angeboten - in der die Frauen dienen, die Männer aber befehlen würden.
Auf dem Rückflug aus Belgien nach Rom gab Papst Franziskus Anlass für weitere, sehr heftige Kritik, als er die Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, als "Mörder" bezeichnete. Die Organisation der italienischen Klinikärzte kritisierte ihn dafür scharf: "Wir wenden ein Gesetz an, welches den Frauen das Recht über ihren eigenen Körper gibt". Man lasse sich nicht als Mörder diffamieren: "Die Ärzte sind immer auf der Seite der Leidenden, zum Schutze der Gesundheit der Frauen", erklärte Ärztepräsident Filippo Anelli.
Blick aufs eigene Erbe
Das Klima vor der vierten, letzten, entscheidenden Etappe der Weltsynode in Rom ist also alles andere als entspannt. Beim Kernthema der Frauenrechte hat Papst Franziskus die Positionen der Ultrakonservativen übernommen. All das wohl in der vagen Hoffnung, den Laden zusammenzuhalten, ein Kirchen-Schisma, eine erneute Spaltung nach der Reform zu Zeiten von Martin Luther, zu verhindern.
Die letzten vier "synodalen" Jahre müssen dem Papst wohl deutlich vor Augen geführt haben, wie sehr einzelne Teilkirchen sich bereits auseinandergelebt haben. Reform-Kirchen, wie die deutschen und andere mittel- und nordeuropäische Landeskirchen, haben jedoch in der Kirche von Franziskus kaum noch Gewicht. In Rom werden sie eigentlich nur noch als Geldgeber angesehen, den theologischen Takt geben andere an. Es zählen die Kirchen Afrikas, Amerikas: Dort aber bleiben Frauen meist streng auf ihre traditionelle Rolle beschränkt.
Von Themen wie der Homosexualität und dem Missbrauch, der vielleicht durch die Organisation der Kirche als solcher begünstigt werden könnte, um es vorsichtig hypothetisch auszudrücken, ganz zu schweigen. Im vergangenen Jahr konnten einzelne Synodale noch einwerfen, dass die Homosexualität nach moderner biochemischer Erkenntnis das Ergebnis von epigenetischen Prozessen bereits im Mutterleib ist, die mit der Geburt abgeschlossen sind. Von der heterosexuellen Norm abweichendes Verhalten sei also keineswegs das Ergebnis einer Perversion, keine "Sünde", wie es der Katechismus der Kirche definiert, sondern liege einfach in der biologischen Natur des Menschen. In diesem Jahr gelten diese Themen bei vielen Konservativen wieder als Gotteslästerung, als Häresie, bestenfalls noch als "modische Strömungen", denen man nicht hinterherlaufen dürfe.
Doch nur weil per Papst-Entscheidung alle kritischen Themen ausgelagert werden, um Zwist und Lagerbildung auf der Synode zu vermeiden, sind diese Themen nicht aus der Welt. Die Wissenschaft geht weiter, die Kirche bleibt wieder zurück, und Frauen auf eine Rolle als barmherzige Dienerinnen zu beschränken, wird auch nicht auf Ewigkeit durchzuhalten sein. Sicher ist, mit diesem Papst geht das alles nicht mehr, der Priesterehe hatte er schon vor einigen Monaten eine Absage erteilt: "Nicht in meinem Pontifikat".
Was Papst Franziskus' erlahmten Reformeifer angeht, gilt hier wohl ein italienisches Sprichwort, welches sagt, man kommt als Brandstifter auf die Welt und stirbt als Feuerwehrmann: Den Papst hat der Reformermut der Anfänge verlassen. Er will nicht als Papst eines erneuten Schismas in die Kirchengeschichte eingehen.
Und trotzdem hat Kardinal Kasper die Hoffnung nicht verlassen: "Auf der Synode kann viel passieren, lassen wir uns überraschen. Das Arbeitspapier ist offener, als Sie jetzt unken."
Quelle: ntv.de