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Selbstbestimmter Tod der Kessler-ZwillingeWie viel Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt?

18.11.2025, 11:52 Uhr
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Die Kessler-Zwillinge starben zusammen im Alter von 89 Jahren. (Foto: picture alliance / ROPI)

Die berühmten Kessler-Zwillinge nehmen für ihren Tod Sterbehilfe in Anspruch. Das ist inzwischen in Deutschland möglich, auch wenn ein Gesetz dazu noch immer fehlt. Einen rechtlichen Rahmen gibt es dennoch.

Alice und Ellen Kessler legten Zeit ihres Lebens höchsten Wert auf Unabhängigkeit. In einem Interview im vergangenen Jahr kündigten die Frauen, die als Kessler-Zwillinge weit über Deutschland hinaus bekannt wurden, an, dass das auch für ihren Tod gelten soll. So starben Alice und Ellen Kessler am gleichen Tag in ihrem Haus in Grünwald im Süden Münchens. Nach ihrem Tod teilte die Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) in Berlin mit, die Zwillinge hätten sich für einen sogenannten assistierten Suizid entschieden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 legt den Rechtsrahmen für Sterbehilfe in Deutschland fest. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben sei vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gedeckt, urteilte das Gericht. Auch die Inanspruchnahme Hilfe Dritter beim Suizid ist damit von der Verfassung gedeckt.

Die sogenannte "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" ist seitdem nicht mehr strafbar, die aktive Sterbehilfe bleibt jedoch weiterhin verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Das heißt die gezielte Tötung eines Menschen auf Verlangen, beispielsweise durch die Verabreichung einer tödlichen Injektion, ist nach § 216 Strafgesetzbuch strafbar - auch wenn ein Mensch ausdrücklich darum bittet. Bei Verstößen drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Nicht verboten, aber ...

Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierter Suizid genannt, ist dagegen grundsätzlich erlaubt. Allerdings nur, wenn die betroffene Person voll entscheidungsfähig ist und ihren Willen frei und unbeeinflusst äußert. Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben oder Dignitas können Betroffenen ihre Unterstützung anbieten, solange kein unzulässiger Druck oder Missbrauch vorliegt.

Rat bei Depression und Suizidgefahr

  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
  • Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei)
  • Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Deutsche Depressionshilfe (regionale Krisendienste und Kliniken, Tipps für Betroffene und Angehörige)
  • Deutsche Depressionsliga
  • Sie prüfen, ob eine antragstellende Person diese Voraussetzungen erfüllt und helfen auch dabei, die Sterbeumstände zu organisieren. Als Suizidhelfer agieren meist Ärzte oder Pflegende, die die Gabe von Medikamenten vorbereiten, die sich die Sterbewilligen dann selbst zuführen. 2024 töteten sich nach Angaben der in Deutschland aktiven Sterbehilfeorganisationen mehr als 1000 Menschen mit Unterstützung. Insgesamt sind die Zahlen vermutlich höher, weil sie nicht offiziell erfasst werden.

    Eine weitere Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist, dass passive Sterbehilfe erlaubt ist. Damit sind das Abbrechen oder das Nicht-Beginnen lebenserhaltender Maßnahmen im Einklang mit dem Patientenwillen gemeint. Voraussetzung dafür ist meist eine Patientenverfügung oder eine klare Willensäußerung des Patienten.

    Ringen um neues Gesetz

    Ein klarer gesetzlicher Rahmen für die Suizidbeihilfe fehlt jedoch weiterhin. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Gesetzesentwürfe im Bundestag diskutiert, die aber bislang nicht verabschiedet wurden. Im Kern geht es darum, Beratungen vorzuschreiben und Wartefristen einzuführen, um sicherzustellen, dass die Entscheidung freiwillig, wohlüberlegt und nicht voreilig oder durch äußeren Druck getroffen wurde. Außerdem soll der Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten beispielsweise über eine Verschreibungspflicht gekoppelt an eine Beratung rechtlich geregelt werden.

    Bei den Sterbehilfe-Organisationen gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze. Ein restriktiverer sieht vor, ihre Tätigkeit erneut zu beschränken und größtenteils unter Strafe zu stellen, mit Ausnahmen für Einzelfälle. Ein liberalerer Vorschlag befürwortet die Arbeit von Vereinen unter klaren Leitlinien, um Betroffenen einen gesicherten Zugang zur Suizidbeihilfe zu ermöglichen.

    Parallel zur rechtlichen Regelung der Suizidbeihilfe ist ein eigenständiges Gesetz zur Suizidprävention geplant, das unter anderem eine nationale Krisenrufnummer und eine Bundesfachstelle für Suizidprävention schaffen soll.

    Quelle: ntv.de, sba

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