
Wird Ted Cruz Donald Trump auf der Zielgeraden noch einmal überholen?
(Foto: REUTERS)
Normalerweise sind Wahlparteitage in den USA eine Krönungsmesse, denn die Entscheidung ist längst in den Vorwahlen gefallen. Bei den Republikanern läuft es in diesem Jahr etwas anders. Vor 40 Jahren war es schon einmal so.
"Breaking News" steht in der Betreffzeile der Mail auf meinem iPhone, "Count me out!" Auf wen man nicht zählen soll ist Paul Ryan, als "Speaker" des Repräsentantenhauses dritter Mann im Staate - vor allem aber Oppositionsführer und ranghöchster Republikaner. Und wo soll man nicht auf ihn zählen? Bei der Präsidentschaftswahl natürlich!
Die Republikaner können sich nicht zwischen Donald Trump und Ted Cruz entscheiden. Doch egal, ob die Partei Gefahr läuft, von Pest oder Cholera befallen zu werden, Paul Ryan will sie nicht retten. Noch nicht jedenfalls.
Dabei sieht alles danach aus, dass die einstige Grand Old Party einen Retter braucht. Einen Weißen Ritter, der im Juli auf den Wahlparteitag in Cleveland einreitet und die Partei vor dem Untergang bewahrt. Aber wie das mit Weißen Rittern so ist - sie gehören ins Märchenland. Auch wenn man sich noch so sehr nach ihnen sehnt, sie erscheinen nur selten.
Ein Golf-Wochenende in einem Trump-Ressort?
Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Republikaner im Juli vor den Conventions ohne Präsidentschaftskandidaten dastehen. Auch wenn Trump die so wichtige Vorwahl nächste Woche im großen New York klar gewinnen sollte - spätestens nach seiner kürzlichen Niederlage in Michigan wird die Gefahr immer größer, dass er am Ende die benötigten 1237 Delegiertenstimmen nicht zusammenbekommt.
Dann wird der Parteitag, den die großartigen Strategen vor vielen Monaten einmal als Krönungsmesse für Jeb Bush geplant hatten, zu einer "brokered convention", auch "contested convention" genannt - zu einem umkämpften Parteitag, einer Wahlschlacht mit offenem Ausgang, bei der die Delegierten nur im ersten Wahlgang - dem Ergebnis der Vorwahlen entsprechend - an Donald Trump oder Ted Cruz gebunden sind und danach für den abstimmen können, den sie wollen oder an den sie wirklich glauben.
Oder für den, der ihnen das beste Angebot macht.
Vielleicht ein Golf-Wochenende in einem Trumpschen Golf-Ressort? Oder ein ausgiebiges "Informations"-Wochenende mit Donald Trump im sonnigen Mar el Lago in luxuriösester Umgebung? Oder gar gleich finanzielle Unterstützung zur Begleichung der Unkosten für die Teilnahme als Delegierter am Parteitag? Oder die Übernahme der Kosten der Anreise nach Cleveland via Key West, unterbrochen von ein paar Tagen zur Erbauung und geistigen Vorbereitung am Strand?
"Hi, it's John. John Wayne"
Die Spekulationen schießen ins Kraut in diesen Tage in den USA. Alle schauen 40 Jahre zurück. Auf das Jahr 1976. Als alles begann.
Damals startete der Siegeszug von Ronald Reagan, der Rechtsruck der Partei, und Pessimisten mögen sagen: der langsame Untergang der USA. Mit einem Wahlkampf, der so manche Parallelen zu dem hat, was heute passiert.
Vor 40 Jahren schickte sich Ronald Reagan, der Gouverneur von Kalifornien und Kandidat von Rechtsaußen, an, den amtierenden Präsidenten Gerald Ford vom Thron zu stürzen. Keiner der beiden hatten am Ende der Vorwahlen die nötige absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen.
Vor der "brokered convention" begann ein Wettlauf um die Delegierten. Mit alle Mitteln wurden die Wahlmänner umgarnt. Gerald Ford lockte mit Angeboten, mit denen nur der Präsident locken kann: Mitflug in Airforce One, Mittagessen im Weißen Haus, Cocktail-Party mit "Fourth of July"-Feuerwerk an Deck des Flugzeugträgers USS Forrestal.
Egal, was passiert: die Republikaner dürfte es zerreißen
Wo Ford mit den Symbolen der Macht Eindruck zu erwecken versuchte, setzte Reagan auf die Attraktivität Hollywoods: Da umgarnten John Wayne, Jimmy Stewart oder Pat Boone die Delegierten. "Hi Fred, it's John. John Wayne", schallte es da abends überraschend aus dem Telefonhörer.
Am Ende gewann die Staatsmacht. Und die Vernunft. Doch das war damals. Vor 40 Jahren. Vor dem Internet. Vor Fox News. Und vor dem Ausverkauf des Wahlrechts, der Unternehmen und Individuen erlaubt, unbegrenzt viel Geld in den Wahlkampf zu stecken.
Mal schauen, ob sich im Juli der Reichtum von Donald Trump oder die Schläue von Ted Cruz auszahlen wird. Oder ob doch noch Paul Ryan zur Pflicht gerufen wird.
Aber selbst, wenn am Ende mit ihm oder einem anderen Kandidaten der Vernunft ein Weißer Ritter auf dem Wahlparteitag einziehen würde - die Partei Abraham Lincolns dürfte es zerreißen.
Quelle: ntv.de