Linke kritisiert späten Zugriff Alle acht Chemnitzer Neonazis in U-Haft
02.10.2018, 20:32 Uhr
Ein Verdächtiger wird von Polizisten zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht.
(Foto: REUTERS)
Vier Männer sitzen bereits im Gefängnis, nun werden vier weitere mutmaßliche Mitglieder der rechten Terrorgruppe "Revolution Chemnitz" dem Haftrichter vorgeführt. Auch sie bleiben in Gewahrsam. Derweil wächst die Kritik an Sachsens Ermittlern.
Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat gegen vier weitere mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe "Revolution Chemnitz" Untersuchungshaft anfgeordnet. Damit seien nun gegen alle acht Männer aus dem Raum Chemnitz Haftbefehle in Kraft, teilte der Generalbundesanwalt mit. Alle stehen im Verdacht, die Vereinigung mitgegründet zu haben. Sieben der Verdächtigen waren am Montag in Sachsen und Bayern festgenommen worden, ein achter bereits am 14. September.
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen sich die Männer "spätestens am 11. September 2018" zur "Revolution Chemnitz" zusammengeschlossen haben. Den Angaben zufolge planten sie für den 3. Oktober eine gewalttätige Aktion. Laut einem Medienbericht hatten sie in ihrer internen Kommunikation getönt, sie wollten mehr Terror verbreiten als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU).
Nach der Festnahme der mutmaßlichen Rechtsterroristen ist eine Kontroverse über die Handlungsfähigkeit von Polizei und Verfassungsschutz in Sachsen entbrannt. Die Linke-Politikerin Kerstin Köditz erklärte, die jetzt festgenommenen Extremisten hätten viel früher auf dem Radar der sächsischen Ermittler erscheinen müssen. Schließlich seien die Gruppe und ihre führenden Köpfe den Behörden schon länger bekannt.
Hofreiter greift Bundesinnenminister an
Linken-Politikerin Köditz kritisierte, dass Tom W., Kopf der 2007 verbotenen Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34" aus Mittweida bei Chemnitz, schon früher hätte festgenommen werden müssen. "Die juristische Aufarbeitung wurde jahrelang verschleppt, auch Tom W. kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Dabei fielen frühere Mitglieder weiter durch Straftaten auf, offenbar wurde sogar wegen des Verdachts der illegalen Fortführung der Gruppe ermittelt - jedoch ohne Ergebnis", erklärte Köditz.
Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, warf Bundesinnenminister Horst Seehofer, Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen vor, sie hätten die Situation in Sachsen durch fahrlässige Äußerungen verschlimmert. "Ein zugekniffenes rechtes Auge und die von Maaßen, Seehofer und Kretschmer angezettelte Verharmlosungsdebatte über Begrifflichkeiten waren für diese Verfassungsfeinde willkommener Rückenwind", erklärte Hofreiter. "Wer das Ganze weiterhin als ostdeutsches Randproblem abtun will, verkennt den Ernst der Lage - denn die rechte Szene radikalisiert sich bundesweit."
Chemnitzer Neonazis sind gut vernetzt
Einige der Festgenommenen hatten nach dem Tod des Deutsch-Kubaners Daniel H. an einer "Pro-Chemnitz"-Demonstration teilgenommen. Sie traten nach der Kundgebung als "Bürgerwehr" auf und bedrohten mehrere Menschen verschiedener Nationalitäten. Einem Mann warfen sie eine Flasche an den Kopf. Später stellte sich zudem heraus, dass "Pro Chemnitz"-Chef Martin Kohlmann dem sächsischen Verfassungsschutz "aus rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt ist". Nach ARD-Recherchen geht es auch um Beziehungen zu der 2014 verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC).
"Offenbar spannen die 'Revolution'-Drahtzieher frühzeitig Kontakte zu weiteren militanten Gruppierungen", erklärte Linke-Politikerin Köditz. Etwa habe die verbotene Kameradschaft NSC, die unter anderem Schießübungen durchführte, das Facebook-Profil von "Revolution Chemnitz" als Propaganda-Kanal genutzt. Frühere NSC-Mitglieder seien zuletzt bei Protesten in Chemnitz in Erscheinung getreten. Zu mehreren früheren NSC-Anhängern lägen Hinweise auf Verbindungen zum NSU vor.
Quelle: ntv.de, jug/dpa