Polizei identifiziert Nizza-Attentäter Angreifer wollte so viel Menschen wie möglich töten
15.07.2016, 10:53 Uhr
Mit diesem Lkw rast ein Mann durch eine Menschenmenge in Nizza - und tötet mindestens 84 Menschen.
(Foto: dpa)
Nach dem Anschlag von Nizza identifiziert die Polizei den Mann, der einen Lkw durch eine Menschenmenge fuhr und mindestens 84 Menschen tötete. Es soll sich um einen Franko-Tunesier handeln. Laut einem Medienbericht sterben auch Berliner Schülerinnen.
Bei einem Anschlag in der Hafenstadt Nizza sind am französischen Nationalfeiertag mindestens 84 Menschen getötet worden. Zahlreiche weitere wurden nach Angaben von Innenminister Bernard Cazeneuve verletzt. Ein Lastwagen raste am Donnerstagabend über zwei Kilometer durch eine feiernde Menschenmenge auf der berühmten Uferstraße Promenade des Anglais. Präsident François Hollande sprach von einem terroristischen Charakter der Tat. Der genaue Hintergrund des Angriffs war nicht bekannt.
Bei dem Anschlag kamen auch mindestens drei Deutsche ums Leben. Dies bestätigt die Berliner Schulaufsicht, berichtete der Sender RBB. Es handelt sich demnach um drei Teilnehmer einer Abitur-Fahrt aus Berlin. Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestätigte, dass unter den Todesopfern mindestens zwei US-Bürger seien. Auch eine russische Studentin wurde getötet, teilte ihre Hochschule in Moskau mit.
Kinder schweben in Lebensgefahr
Mindestens 50 Kinder wurden in Krankenhäusern behandelt. Zwei Kinder seien am Freitagmorgen bei Operationen gestorben, teilte eine Sprecherin des Kinderkrankenhauses Lanval mit. Weitere Kinder schwebten noch in Lebensgefahr.
Der Fahrer des Lkw wurde von der Polizei erschossen. Cazeneuve sagte, die Polizei habe "einen Terroristen ausschalten können". Der getötete Angreifer wurde formell identifiziert. Es handele sich um den 31-jährigen Franko-Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, mit Wohnsitz in Nizza. Seine Ausweispapiere wurden im Tatwagen gefunden, hieß es aus Polizeikreisen.
Zudem wurden Attrappen von Feuerwaffen und eine nicht funktionsfähige Granate in dem Lkw gefunden. In Nizza liefen derzeit "mehrere" Polizeieinsätze. Die Zeitung "Nice Matin" meldete, dass die Wohnung des Angreifers durchsucht werde. Daran beteiligt waren schwer bewaffnete Mitglieder der Spezialeinheit Raid. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei war der Fahrer nicht als politisch radikalisiert bekannt, wohl wegen anderer Delikte,vor allem Gewalttaten. Ob die Tat einen islamistischen Hintergrund hat, ist unklar. Es wurden keine Flaggen oder Symbole des Islamischen Staats oder einer anderen Organisation gefunden.
Zick-Zack-Kurs gefahren
Der bei dem Anschlag verwendete Lastwagen sei "vor einigen Tagen in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur" angemietet worden, verlautete aus Polizeikreisen. Der Lastwagen habe zudem "mindestens einmal seine Richtung geändert", hieß es weiter. Augenzeugen berichteten von einem regelrechten Zick-Zack-Kurs. Das Ziel des Fahrers sei gewesen, "so viele Opfer wie möglich" zu töten.
Der Zeitung "Nice Matin" und dem Regionalpolitiker Christian Estrosi zufolge sollen die Passanten nicht nur umgefahren, sondern auch beschossen worden sein. Eine Meldung, dass der Attentäter "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben soll, konnte nicht bestätigt werden.
Hollande zufolge gab es bisher keine Hinweise auf Komplizen des Täters. Unter den Toten seien auch Kinder. "Wir müssen alles tun, um die Geißel des Terrorismus zu bekämpfen", sagte der Staatschef in Paris. Der seit den Anschlägen vom 13. November geltende Ausnahmezustand, der am 26. Juli beendet werden sollte, solle um drei weitere Monate verlängert werden. Das Parlament werde darüber in der kommenden Woche entscheiden.
Beileid in der ganzen Welt
"Ganz Frankreich ist vom islamistischen Terrorismus bedroht", sagte Präsident Hollande. Deswegen sollten zusätzlich Soldaten und Reserven bei den Sicherheitskräften mobilisiert werden. Hollande kündigte eine Verstärkung der französischen Aktivitäten im Irak und in Syrien an.
Von Samstag an soll mit einer dreitägigen Staatstrauer der Anschlagsopfer gedacht werden. Die Fahnen an öffentlichen Gebäuden in Frankreich sollten schon am Freitag auf Halbmast gehängt werden. Im Elyséepalast empfing der Präsident die Mitglieder seines Sicherheitskabinetts. Danach flog er nach Nizza, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Er will unter anderem die Präfektur und ein Krankenhaus besuchen. Geplant sind Begegnungen mit Sicherheits- und Rettungskräften. Auch Premierminister Manuel Valls und Innenminister Bernard Cazeneuve halten sich in Nizza auf.
Weltweit verurteilten Politiker den Anschlag. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Deutschland stehe im Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs: "Und ich bin sehr überzeugt, dass trotz aller Schwierigkeiten wir diesen Kampf gewinnen werden." Auch Bundespräsident Joachim Gauck kondolierte Hollande. US-Präsident Barack Obama erklärte: "Wir stehen in Solidarität und Partnerschaft an der Seite Frankreichs, unseres ältesten Alliierten."
Frankreich war zuletzt wiederholt Ziel von Anschlägen. Bei islamistischen Attentaten waren im vergangenen Jahr 149 Menschen gestorben, davon 130 bei der Pariser Terrorserie am 13. November 2015. Während der kürzlich zu Ende gegangenen Fußball-Europameisterschaft hatte ein Mann, der sich zum IS bekannte, nahe Paris einen Polizisten und dessen Partnerin umgebracht. Das Turnier fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt - ebenso wie die Feste zum Nationalfeiertag.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP