Politik

Virus überschattet Volkskongress China drängt ins Zentrum der Weltordnung

Kurz vor Beginn des Volkskongresses sind in Pekings Zentrum die Sicherheitsmaßnahmen allgegenwärtig.

Kurz vor Beginn des Volkskongresses sind in Pekings Zentrum die Sicherheitsmaßnahmen allgegenwärtig.

(Foto: AP)

Am Freitag beginnt der Nationale Volkskongress in Peking. Die Corona-Pandemie hat die chinesische Regierung viel Sympathien gekostet. Wer nun auf Selbstkasteiung des Regimes hofft, wird allerdings vergeblich warten. Das Land hat ein Trauma zu überwinden.

Der Nationale Volkskongress in der Volksrepublik China bietet auch in diesem Jahr keine Bühne für einen politischen Schlagabtausch. Diktaturen wie die chinesische nutzen ihre Parlamente dazu, einen Schein von Pluralismus in die Welt zu projizieren. Dazu gibt es ein paar bunte Bilder ethnischer Minderheiten in deren traditionellen Kostümen. China einig Vaterland.

In Wahrheit aber bildet der Volkskongress nur die Kulisse für Verlautbarungen des Politbüros der Kommunistischen Partei in einem zunehmend totalitär geführten Staat. Das Top-Gremium setzt Ziele und formuliert Ambitionen. Gerade deshalb wäre es töricht, der aufsteigenden Wirtschaftsmacht nicht ganz genau dabei zuzuhören. Eben weil sie konkrete Botschaften in die Welt sendet, wie sie sich die Zukunft vorstellt.

Jede Maske ein Heiliger Gral

Der Volkskongress 2020, der am Freitag beginnt und bereits am Donnerstag mit der Sitzung des mächtigen Beratungsgremiums eingeläutet wird, steht dabei unter einem ganz besonderen Stern namens Corona. Hätte das Parlament planmäßig im März getagt, wären die Umstände gänzlich andere gewesen als heute. In nur zwei Monaten hat die chinesische Regierung ihre glänzende Ausgangssituation im geopolitischen Machtpoker verspielt. Statt die Rolle des verlässlichen Partners in globalen Krisen zu übernehmen, haben die Autokraten überall dort Vertrauen und Sympathien verloren, wo man immer noch glaubte, China werde durch Integration in die Weltgemeinschaft zu politischen Zugeständnissen bewegt.

Die Versuche der Autokraten, dem Rest der Welt ihre Version der Geschichte aufzuzwingen, waren so plump und durchschaubar, dass der Unmut auf die Chinesen unverhohlen negativ rückkoppelte, sogar aus dem so wenig China-kritischen Europa. Hinzu kam Pekings Dreistigkeit, den Europäern abzuringen, deren Corona-Hilfen an die Chinesen ohne große Öffentlichkeit zu leisten, im Gegenzug aber jede Schutzmaske aus China in Richtung Europa wie den Heiligen Gral zu feiern.

Die einst Besetzten schlagen zurück

Peking hat sehr viel falsch gemacht in dieser Krise. Funktionäre wie der chinesische Diplomat, der den Beitritt in die Welthandelsorganisation ausgehandelt hatte, warnen die Regierung deswegen bereits vor wachsender Feindseligkeit in der Welt. Wer glaubt, dass die Mannschaft um Präsident Xi Jinping deshalb weniger ambitionierte Ansprüche stellen wird, der irrt sich jedoch. An Zugeständnissen hat Peking kein Interesse. Das Jahrhundert der Demütigungen steckt der Partei noch immer in den Knochen. All die Invasionen und Besatzungen durch ausländische Mächte zwischen 1842 und 1945 prägen ihre Weltsicht bis heute zutiefst. Das chinesische Selbstverständnis, als Reich der Mitte zentraler Bestandteil jedweder Weltordnung zu sein, wurde während dieses Jahrhunderts so nachhaltig beschädigt, dass es für die heutigen politischen Führer vor allem darum geht, die nationale Ehre wiederherzustellen.

Zu welchen Mitteln die chinesische Regierung greifen wird, bleibt vorerst Spekulation. Aber es gibt viele Indizien, die darauf schließen lassen, dass Peking bereit ist, große Opfer dafür zu bringen. Immer wieder betonen die Autokraten, dass sie ihren geplanten Aufstieg zur Supermacht friedlich vorantreiben wollen. Das stimmt aber nur solange, wie der Rest der Welt Chinas Gebaren mehr oder minder stillschweigend hinnimmt. Zunehmend aggressiv reißt die KP alles an sich, was im südchinesischen Meer nach Land aussieht. Sie schüttet sogar künstliche Inseln auf und baut dort Militärbasen. Sie setzt ihre Interessen auch anderswo in der Welt immer weniger kompromissbereit durch. In der Straße von Taiwan, in Südostasien, in Australien, in Afrika, aber auch zunehmend in Europa.

Dabei wird auch der Ton rauer. Chinesische Diplomaten schießen in aller Welt gegen ihre Gastgeberländer, wenn sie das Gefühl haben, dort würde man zu kritisch mit der Volksrepublik ins Gericht gehen. In Paris behauptete ein Diplomat sogar, die Franzosen würden Menschen in Altenheimen an Covid-19 absichtlich verrecken lassen. Die Schärfe chinesischer Äußerungen lässt sich auch damit erklären, dass Peking seine drastischen Fehler bei der Eindämmung des Virus nicht eingestehen will.

Die Konfrontation kann kommen

Wohin das alles führt, bleibt ebenso zunächst nur Spekulation. Klar ist aber, dass in Peking eine Mentalität herrscht, die auf gewaltsame Auseinandersetzungen vorbereitet ist. Eine einflussreiche Denkfabrik des Ministeriums für Staatssicherheit warnte die Parteispitze kürzlich in einer Analyse vor einer bewaffneten Konfrontation mit den Amerikanern, die sich unter Donald Trump wahrlich nicht mit Ruhm bekleckern, was eine Beschwichtigung zwischen beiden Staaten angeht. China müsse mit allem rechnen, hieß es in dem Dokument aus dem Ministerium, dessen Inhalt an westliche Journalisten durchgestochen wurde.

Man darf also ruhig davon ausgehen, dass die chinesische Regierung sich auf eine mögliche Eskalation längst entsprechend eingestellt hat. Wer in China groß geworden ist, wächst ohnehin auf mit einer latenten Mobilmachung der eigenen Wahrnehmung. Das Jahrhundert der Demütigung: Es wird allen Chinesen eingeimpft, dass es nie wieder so weit kommen darf. Der Volkskongress wird diese Geisteshaltung auch in diesem Jahr reflektieren.

Quelle: ntv.de

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