Politik

Gary Johnson Der Mann, an dem Clinton scheitern könnte

"Ich hätte so etwas nie gesagt": Johnson hofft auf republikanische Wähler. Bisher nimmt er eher Clinton Stimmen ab.

"Ich hätte so etwas nie gesagt": Johnson hofft auf republikanische Wähler. Bisher nimmt er eher Clinton Stimmen ab.

(Foto: REUTERS)

Wie sich der jüngste Skandal um Donald Trump auswirkt, ist noch unklar. Bislang sieht es allerdings so aus, als müsse Hillary Clinton einen anderen Kandidaten stärker fürchten als ihren republikanischen Konkurrenten.

Das Stichwort Aleppo sagt ihm nichts. Er ist nicht imstande, ein amtierendes Staatsoberhaupt zu nennen, dem er auch nur ein bisschen Bewunderung entgegen bringt. Und bei der Frage nach dem Namen von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un herrscht bei ihm Stillschweigen. Trotzdem könnte Gary Johnson, der hinter all diesen Aussagen steckt, im Kampf um das Weiße Haus eine entscheidende Rolle spielen.

Der frühere Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexico ist Präsidentschaftskandidat der Libertären Partei und stellte bislang besonders für Hillary Clinton ein Problem dar. Zwar hat Johnson, der es in Umfragen auf hohe einstellige Werte bringt, durch das amerikanische Zweiparteiensystem keine Möglichkeit, das höchste Amt im Lande zu gewinnen. Dennoch könnten seine Anhänger den Ausgang der Wahl zwischen Clinton und Donald Trump beeinflussen.

Johnsons durchaus ansehnliche Umfragewerte – im Jahre 2012 kam er auf nicht einmal ein Prozent -- sind nicht das Produkt eines starken Parteiprogramms oder Wahlkampfes, sondern vielmehr das Resultat einer unzufriedenen Wählerschaft, besonders auf der Seite der Demokraten. Wie der Vorwahlkampf zwischen Clinton und dem linken Senator Bernie Sanders zeigte, gibt es bei den Demokraten eine große Abneigung gegenüber Clinton. Sanders war mit Themen wie der Abschaffung der hohen Studiengebühren vor allem bei Studenten und jungen Absolventen auf Zuneigung gestoßen. Johnson scheint einen Großteil dieser Wählerschaft auf seine Seite gezogen zu haben.

Während Clinton in den Umfragen im Schnitt 4,6 Prozentpunkte vor Trump liegt, schrumpft dieser Vorsprung auf 3,2 Punkte, wenn Johnson und die weniger starke Grünen-Kandidatin Jill Stein mit eingerechnet werden. Ob Trumps jüngster Skandal die Stimmung drehen wird, ist noch nicht klar, da alle bisher verfügbaren Umfragen vor dem vergangenen Freitag durchgeführt wurden – vor dem Tag also, an dem die "Washington Post" ein elf Jahre altes Video veröffentlichte, in dem Trump sich mit vulgären Worten über seinen Umgang mit Frauen äußert.

"Dutzende Republikaner" haben Johnson angerufen

Denkbar ist, dass auch republikanische Wähler sich nun für Johnson entscheiden. "Ich hätte so etwas in meinem ganzen Leben nie gesagt, und seine Entschuldigung war überhaupt keine Entschuldigung", sagte Johnson am Samstag bei einem Wahlkampfauftritt über Trump. Einem lokalen TV-Sender sagte der 63-Jährige, seit Veröffentlichung des Videos hätten ihn Dutzende Republikaner angerufen, um ihm ihre Unterstützung zuzusagen. Fraglich ist allerdings, ob daraus eine Massenbewegung wird. Bislang standen Trumps Anhänger loyaler zu ihrem Kandidaten als die von Clinton.

Besonders in Swing States könnte Johnson, der früher Mitglied der Republikanischen Partei war, eine wichtige Rolle spielen. In Nevada beispielsweise liegen Clinton und Trump einer Umfrage zufolge gleichauf bei jeweils 43 Prozent. Wahlsieger dürfte dort werden, wer weniger Stimmen an Johnson verliert.

US-Präsident Barack Obama hat den Ernst der Lage erkannt. Ende September rief er die Wähler dazu auf, ihre Stimmen nicht an Kandidaten von Drittparteien zu geben. "Wenn Sie nicht zur Wahl gehen, dann ist das eine Stimme für Trump", sagte Obama in der Radiosendung "The Steve Harvey Morning Show". "Wenn Sie für einen Kandidaten einer Drittpartei stimmen, der sowieso keine Chance hat zu gewinnen, dann ist das eine Stimme für Trump."

Der letzte unabhängige Kandidat beziehungsweise Kandidat einer Drittpartei, der in einer US-Präsidentschaftswahl solide Werte erzielte, war der Texaner Ross Perot. Dieser holte 1992 – damals machte Bill Clinton das Rennen – knapp 19 Prozent der Stimmen, eroberte aber keinen einzigen Bundesstaat. Sanders, der sich nach dem erbitterten Vorwahlkampf auf Clintons Seite schlug, sagte voraus, dass seine Anhänger nicht für Johnson stimmen würden, wenn sie sich dessen Wahlprogramm anschauen. "Sehen Sie sich seine Meinung zu den Themen Umwelt, Klimawandel und Wirtschaft an", so Sanders bei CNN. "Ich glaube nicht, dass Leute, die für mich gestimmt haben, ihn unterstützen, wenn sie genauer untersuchen, wofür er steht und woher seine Anschauungen kommen."

Johnson wird keine Chance bekommen, in den zwei noch bevorstehenden Fernsehdebatten potentielle Wähler von sich zu überzeugen, da Kandidaten mindestens 15 Prozent in Umfragen erreichen müssen, um auf der Bühne zu stehen. Dennoch könnten Johnson und in geringerem Ausmaß Stein für Clinton das werden, was der Grüne Ralph Nader für den Demokraten Al Gore im Jahr 2000 war: ein Spielverderber. Nader "stahl" damals Tausende von Gores Stimmen in Florida. Letztlich ermöglichte dies den Sieg von George W. Bush.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen