Parteitag in Augsburg Die AfD versucht's mit Harmonie
30.06.2018, 06:29 Uhr
Parteichef Alexander Gauland und der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner lächeln sich bei einer Pressekonferenz an. Der diesjährige Parteitag steht unter vergleichsweise harmonischen Vorzeichen.
(Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/)
Kein Parteitag ohne Drama: Die Treffen der AfD waren in der Vergangenheit alles andere als versöhnlich. In diesem Jahr soll das anders werden. Grund für Zwist gibt es nicht, es läuft gut für die Rechtspopulisten.
Machtkämpfe, Kampfabstimmungen, Richtungsstreitereien - Harmonie suchte man auf den vergangenen Parteitagen der AfD vergeblich. Im Dezember vergangenen Jahres drückte der rechte Flügel Alexander Gauland als Parteichef gegen Georg Pazderski und damit gegen das gemäßigte Lager durch. Zuvor in Köln verlor die ehemalige Parteichefin Frauke Petry ihre Basis. 2016 in Stuttgart rangen rund 2000 Gäste um eine inhaltliche Linie. 2015 in Essen wurde der damalige Parteichef und AfD-Gründer Bernd Lucke entmachtet.
In diesem Jahr soll es anders werden und vieles spricht dafür, dass der Parteitag tatsächlich harmonischer verläuft. Seit dreieinhalb Monaten ist die Partei Oppositionsführerin im Bundestag, in Umfragen steht sie recht stabil bei 12 bis 14 Prozent. Mit Genugtuung beobachten die Rechtspopulisten, wie sich die Union an den Themen Asyl und Migration zerstreitet. Die CSU hat aus der Zuwanderung ein alles beherrschendes Politikum gemacht, das selbst die Richtung des EU-Gipfels in Brüssel vorgibt. Das zentrale Thema der AfD hat derzeit die deutsche, ja die europäische Politik im Griff.
Und ob es der CSU wirklich gelingen wird, mit ihrem scharfen Kurs der AfD bei der anstehenden Landtagswahl in Bayern Stimmen abzunehmen, was das Motiv hinter Seehofers Revolte sein dürfte, ist mehr als fraglich. Der Einzug der AfD in die letzten beiden Landesparlamente ohne Fraktion rechts der Union hingegen steht so gut wie fest. In Umfragen kommt die Bayern-AfD derzeit auf 13 Prozent, in Hessen sind es 15 Prozent. In beiden Ländern wird im Oktober gewählt.
Ein bisschen Zündstoff gibt es doch
Die Partei sitzt also stabil im Sattel. Der Vorstand ist gewählt, es gibt keine kontroversen Richtungsentscheidungen, insgesamt deutlich weniger Zündstoff als bei vergangenen Treffen. "Das ist ein Parteitag, auf dem Dinge gemacht werden sollen, die liegengeblieben sind", sagte Parteichef Alexander Gauland der Deutschen Presseagentur.
Einzig das Thema einer parteinahen Stiftung könnte für Ärger sorgen. Dazu liegt eine ganze Reihe von Anträgen vor. So will der Bundesvorstand, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung den Zuschlag erhält. Sie soll mit der Gustav-Stresemann-Stiftung kooperieren, die Parteichef Gauland favorisiert. So hatte es der AfD-Vorstand im April beschlossen. Widerstand kam dann allerdings im Mai von einem AfD-Konvent, der sich dagegen aussprach, die von der früheren CDU-Politikerin Erika Steinbach geleitete Erasmus-Stiftung als parteinah anzuerkennen.
Und so zielt nun ein Antrag für den Parteitag darauf ab, das Thema wieder von der Tagesordnung zu nehmen. Ein weiterer fordert einen Mitgliederentscheid dazu. Dann gibt es noch einen Antrag, der doch noch die Gustav-Stresemann-Stiftung als parteinahe Stiftung durchsetzen will. Mit der Anerkennung einer nach dem früheren Reichskanzler benannten Stiftung könne die AfD "einen echten politischen Coup" landen, so die Begründung.
Eigentlich hat das System der parteinahen Stiftungen bei der AfD wenig Freunde, wird nicht selten als "Filz" bezeichnet und gehört nach Ansicht vieler Parteimitglieder abgeschafft. So lange aber die anderen Parteien auf die Gelder nicht verzichteten, müsse die AfD "Waffengleichheit" herstellen, heißt es zur Begründung in einem der Anträge. Mit der Anerkennung einer parteinahen Stiftung winkt der AfD ein hoher zweistelliger Millionenbetrag pro Jahr. Zudem können private Geldgeber über die Stiftung die Partei unterstützen, ohne als offizielle AfD-Spender aufzutauchen.
Nachholen beim Thema Rente
Außerdem sollen in Augsburg Mitglieder für das Bundesschiedsgericht der Partei gewählt werden. Das könnte maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie radikal sich AfD-Politiker in Zukunft äußern können. Denn das Gremium steckt die Grenzen ab, nach deren Überschreiten ein Rausschmiss aus der Partei droht. Derzeit weist wenig darauf hin, dass die Partei in dieser Frage einen gemäßigten Kurs einschlägt. Gegen den rechtsnationalen Flügel um den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke gibt es kaum noch Widerstand.
Darüber hinaus will sich die Partei ein Rentenkonzept geben, was bisher in ihrem Portfolio fehlt. Dazu will Parteichef Jörg Meuthen einen Vorschlag machen. Auch hier könnte es zu Reibereien zwischen dem wirtschaftsliberalen Flügel und den Kräften kommen, die der rechten Partei in gewissen Belangen ein sozialistisches Profil geben wollen. Mit der Kombination aus nationaler und sozialistischer Politik feiern andere Rechtspopulisten in Europa, etwa die niederländische PVV, Erfolge.
Tradition haben aber nicht nur die Streitereien auf den Parteitagen, sondern auch der Protest linker Bündnisse im Umfeld der Delegiertentreffen. Auch in Augsburg werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet. Die Augsburger Polizei hat 2000 zusätzliche Beamte aus dem ganzen Bundesgebiet angefordert, um auf gewalttätige Aktionen von Linksextremisten vorbereitet zu sein, zu denen im Internet aufgerufen wird.
Quelle: ntv.de