Politik

Europa zeigt die kühle Schulter Die Ukraine darf nicht in die EU

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Partnerschaft ja, aber keine EU-Mitgliedschaft: Ukraine-Präsident Poroschenko mit Kanzlerin Merkel.

(Foto: REUTERS)

Von ihrem Weg in Richtung Europa will sich die Ukraine nicht abbringen lassen. Kiew fordert eine klare Beitrittsperspektive, doch die Europäische Union lehnt dies ab. Vor allem Deutschland bremst.

Vertauschte Rollen. Diesmal macht ausnahmsweise nicht Europa Druck, sondern Kiew. "Wir möchten jetzt in Riga die konkrete Zusicherung erhalten, dass die Ukraine für eine künftige Mitgliedschaft in der Europäischen Union geeignet ist und die Chance hat, in Zukunft Beitrittskandidat zu werden", sagte Pawel Klimkin in der "Welt". Der ukrainische Außenminister hat sich den Zeitpunkt genau ausgesucht. Es ist der Morgen des Tages, an dem der Ost-Gipfel der Europäischen Union in Riga beginnt. Ob Klimkins Forderung zieht?

Die EU-Staaten treffen sich an diesem Donnerstag in Lettland mit Vertretern aus Moldawien, Georgien, Weißrussland, Armenien, Aserbaidschan und der Ukraine. Im Mittelpunkt steht die politische Partnerschaft und wenn es nach einigen der früheren Sowjetrepubliken geht, darf es gern ein bisschen mehr sein. Am deutlichsten zeigt sich das am Beispiel Ukraine. Der Kampf um die Westbindung hat das Land seit Ende 2013 in eine tiefe politische Krise gestürzt. Der proeuropäische Präsident Petro Poroschenko will bis 2020 den EU-Beitritt beantragen. Auch Georgien macht sich Hoffnungen. Aber die Europäische Union, allen voran die Bundesregierung, erwidern die Annäherung alles andere als euphorisch.

Aus deutschen Regierungskreisen heißt es: "Den Wunsch der Länder nehmen wir zur Kenntnis, aber es gibt keine Beitrittszusage." Der Weg, den die östlichen Nachbarländer in ihrer Entwicklung noch gehen müssten, bis man ernsthaft über eine EU-Perspektive verhandeln könne, sei lang. Bei der Frage nach dem Warum fallen Worte wie Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung. Man verweist auf die Assoziierungsabkommen, die kürzlich mit einigen östlichen Partnern unterzeichnet wurden. Diese beinhalteten einen Grad der Integration, wie sie die EU "noch nie" mit anderen Ländern abgeschlossen habe. Mehr ist zurzeit nicht gewünscht. Die Kanzlerin bietet zwar eine engere Partnerschaft an, dämpft jedoch die Beitritts-Hoffnungen. "Wir dürfen keine falschen Erwartungen wecken, die wir dann später nicht erfüllen können", sagte Angela Merkel vor dem Gipfeltreffen.

Unter Freunden muss man ehrlich miteinander sein

Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin hält diese Haltung für falsch. "Die EU begeht einen großen Fehler, wenn sie sich nicht klar für eine Beitrittsperspektive für die Länder der Östlichen Partnerschaft ausspricht", sagte er n-tv.de. "Wenn man eine Transformation der Ukraine erreichen will, kommt man um eine Beitrittsperspektive nicht herum. Von jemandem zu erwarten, so zu werden wie wir, aber nicht dazugehören zu dürfen, ist unrealistisch."

Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sieht das anders. "Ich halte Klimkins Strategie für falsch. Unter Freunden muss man ehrlich miteinander sein. Es gibt zurzeit keine Beitrittsperspektive und niemand sollte etwas anderes suggerieren." Über einen möglichen Beitritt in 20 oder 30 Jahren will Annen nicht spekulieren. "Es ist unrealistisch, schon über die nächsten Schritte zu sprechen, wenn wir nicht mal erste Ansätze zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens registrieren können." Vor der Ukraine lägen Jahrzehnte voller notwendiger Reformen. Die Erwartung, mit einem EU-Beitritt könnten alle Probleme gelöst werden, sei eine Illusion.

Wenn Annen über einen möglichen EU-Beitritt spricht, vergleicht er mit den Staaten, die der Union zuletzt beigetreten sind. "Wir sehen, welche Probleme wir mit Ländern wie Rumänien und Bulgarien haben, in denen es keine bürgerkriegsähnlichen Konflikte gibt." Dem Vorwurf, dass die EU die Ukraine geködert habe und nun die proeuropäischen Kräfte hängen lasse, widerspricht er. "Die Ukraine wird von uns unterstützt. Kaum ein Land ist da so aktiv wie Deutschland."

"Russland wird das zur Kenntnis nehmen"

Und so dürfte der ukrainische Außenminister Klimkin am Freitag ohne Erfolgsmeldung zurück nach Kiew reisen. Länder wie Schweden, Litauen, Slowakei, Estland und Polen befürworten zwar einen mittelfristigen Beitritt der Ukraine. Deutschland, aber auch Frankreich, Spanien und Italien sind jedoch dagegen. Höchstwahrscheinlich wird in der Gipfel-Erklärung daher am Ende ein Formelkompromiss stehen, der ein klares Bekenntnis vermeidet. Die Beitritts-Aussichten der Ukraine dürften darin zurückhaltender gefasst sein als beim bisher letzten Gipfel 2013 in Vilnius.

Aus der Sicht von Grünen-Politiker Sarrazin konterkariert das die Nachbarschaftspolitik der EU. "Dass die Bundesregierung ihr Veto einlegt, ist ein verheerendes Signal. Russland wird das zur Kenntnis nehmen." Die Botschaft sei: Euer militärischer Einsatz lohnt sich, die Entschlossenheit Europas geht zurück.

Quelle: ntv.de

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