Lange Schleifspur am Meeresboden EU: Russlands Schattenflotte steckt hinter Kabel-Sabotage
30.12.2024, 06:50 Uhr Artikel anhören
Die finnischen Behörden haben den Öltanker "Eagle S" festgesetzt. Er fährt unter der Flagge der Cook-Inseln.
(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)
Die Beschädigung des Unterwasserkabels "Estlink 2" ist nur der jüngste Fall mutmaßlicher Sabotage europäischer Infrastruktur. EU-Chefdiplomatin Kallas zufolge steckt Russland dahinter. Um die Aktivitäten zu verschleiern, setzt Moskau ihrer Aussage nach auf eine Schattenflotte.
Die Europäische Union macht erstmals Russland für die Zunahme von Sabotageakten in Europa verantwortlich. "Sabotage in Europa hat zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat", sagte EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas der Zeitung "Welt". Die jüngsten Sabotageversuche, insbesondere die Beschädigung des Seekabels "Estlink 2" in der Ostsee, seien keine Einzelfälle, sondern Teil eines Musters koordinierter Aktionen zur Destabilisierung europäischer Infrastruktur. Die EU vermutet, dass der Anker eines zur russischen Schattenflotte gehörenden Öltankers das Kabel beschädigte. Kallas kündigte deshalb ein stärkeres Vorgehen gegen die russischen Schiffe an.
An Weihnachten war die Stromverbindung "Estlink 2" zwischen Finnland und Estland ausgefallen. Daraufhin haben finnische Ermittler eine verdächtige Schleifspur am Meeresboden festgestellt. "Die Spur ist Dutzende Kilometer lang", teilte Ermittler Sami Paila mit. Es steht der Verdacht im Raum, dass der von den finnischen Behörden festgesetzte Öltanker "Eagle S" seinen Anker am Boden hinter sich her gezogen hat, um das Kabel zu beschädigen. Das Schiff fährt unter der Flagge der Cook-Inseln.
Mit dem Begriff Schattenflotte sind Tanker und andere Frachtschiffe gemeint, die Russland benutzt, um Sanktionen wegen der Invasion in die Ukraine zu umgehen, etwa beim Öltransport. Moskau wird seit Langem vorgeworfen, beim Transport und der Verschleierung seiner Exporte auf Schiffe zu setzen, die undurchsichtige Eigentümerstrukturen aufweisen und oft die Flagge wechseln, unter der sie fahren. Dazu würden Länder mit Gesetzen genutzt, die deutlich laxer seien als die im Westen. Es handelt sich um Schiffe, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder von westlichen Versicherungen versichert worden sind.
"Schattenflotte" kein Novum
Experten in Moskau weisen darauf hin, dass der Begriff Schattenflotte ein westlicher sei, weil der Westen von seiner eigenen Rechtsprechung ausgehe und nicht immer der des Flaggenstaates. Einer Analyse der School of Economics in Kiew zufolge sollen Hunderte solcher Schiffe im Einsatz sein. Die Schattenflotte ist aber kein Novum, sondern schon lange durch andere vom Westen mit Sanktionen belegte Länder bekannt, darunter Venezuela oder Iran.
Mit den Schiffen finanziere Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine, kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock in den Funke-Medien. Sie seien eine große Gefahr für die Sicherheit und die Umwelt. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt, die Tanker seien veraltet, viele wiesen technische Mängel auf und bedrohten die Umwelt.
Kallas sieht Verantwortung für Absturz in Moskau
EU-Chefdiplomatin Kallas äußerte sich auch zum Absturz einer Passagiermaschine in Kasachstan mit 38 Toten, für den sich Kremlchef Wladimir Putin am Wochenende entschuldigt, aber keine direkte Verantwortung übernommen hatte. "Es gibt immer mehr Hinweise, dass die russische Luftabwehr das Passagierflugzeug abgeschossen hat." Die Verantwortung liege letztlich bei Moskau. Russlands Krieg gegen die Ukraine habe "erst die Bedingungen dafür geschaffen, dass sich dieses Unglück ereignete".
Kallas forderte die Regierung in Washington auf, auch unter der Präsidentschaft von Donald Trump selbstbewusst und mit Härte gegenüber Russland aufzutreten. "Hilfe für die Ukraine ist kein Almosen, sondern eine Investition in die Sicherheit von uns allen. Wenn die Vereinigten Staaten stark gegenüber Russland auftreten, verhindert dies Ärger mit China. Eine Unterstützung der Ukraine bewahrt die Amerikaner vor künftigen Konflikten."
Um der Ukraine derzeit finanziell stärker unter die Arme greifen zu können, sollen nach den Worten von Kallas neue Wege beschritten werden. "Russland soll zahlen für den Schaden, den man angerichtet hat. Kiews Forderung nach Kompensationen ist legitim. Wir sollten diskutieren, wie einige der eingefrorenen (russischen) Vermögen oder der gesamte Betrag genutzt werden können, um die Ukraine zu stärken." Bislang wurden nach einem EU-Beschluss nur die Zinsgewinne abgeschöpft und in militärische Ausrüstung für die Ukraine investiert, während die Reserven der russischen Zentralbank (rund 210 Milliarden Euro) unangetastet blieben.
Quelle: ntv.de, mdi/rts/dpa