Politik

VW im Abgas-Skandal nicht bestraft EU eröffnet Verfahren gegen Deutschland

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(Foto: picture alliance / dpa)

Hat Deutschland im Umgang mit der Abgas-Affäre bei Volkswagen gegen europäisches Recht verstoßen? Diese Frage will die EU-Kommission nun in einem offiziellen Verfahren klären. Auch gegen andere Länder wird ermittelt.

Wegen mutmaßlicher Versäumnisse im Abgas-Skandal geht die EU-Kommission gegen Deutschland vor. Die Brüsseler Behörde wirft der Bundesregierung unter anderem vor, Volkswagen nicht für die Manipulation von Schadstoffwerten bei Dieselautos bestraft zu haben. Die Kommission leitete deshalb ein Verfahren wegen vermuteter Verletzung europäischen Rechts ein. Gegen Tschechien, Litauen, Griechenland, Luxemburg, Spanien und Großbritannien erhebt sie den gleichen Vorwurf. Ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte, Deutschland habe als einziges Land in Europa einen umfassenden Katalog mit Sofortmaßnahmen zur gezielten Vermeidung von unzulässigen Abschalteinrichtungen umgesetzt. Gegenüber VW seien Maßnahmen ergriffen worden, "die auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet sind".

Im Fall Deutschlands und Großbritanniens sieht die EU-Kommission noch einen weiteren Gesetzesverstoß: Beide Länder hätten der Behörde auch in ihren nationalen Untersuchungsberichten nicht sämtliche bekannten Informationen zur Verfügung gestellt. Brüssel will nachvollziehen können, ob die gewährten Ausnahmen für den Einsatz sogenannter Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung nötig waren.

Die Bundesregierung hält das Vorgehen der EU-Kommission für unberechtigt. Deutschland habe als einziges Land in Europa "Sofortmaßnahmen zur gezielten Vermeidung von unzulässigen Abschalteinrichtungen" umgesetzt, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. Im Fall Volkswagen sei man "entsprechend dem das Verwaltungsrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" vorgegangen mit dem Ziel, das illegale Herunterregeln der Abgasreinigung zu beenden. Verkehrsminister Alexander Dobrindt wiederholte seine Forderung, die entsprechende Europa-Verordnung so zu schärfen, "dass der Stand der Technik als Prüfmaßstab festgelegt werden muss". Ziel sei es, die Ausnahmen für grundsätzlich verbotene Abschalteinrichtungen massiv einzuschränken, die mit dem Schutz des Motors begründet werden können.

"Kartell des Schweigens"

Nach Einschätzung des Chefs des Abgas-Ausschusses im Bundestag, Herbert Behrens, kommt das Vorgehen der EU zu spät. "Die EU-Kommission war wie die Automobilindustrie und die Bundesregierung am Kartell des Schweigens über Abschalteinrichtungen beteiligt", sagte der Linke-Politiker in Berlin. Daher sei der Schritt der Brüsseler Kommission "ähnlich scheinheilig" wie das Verhalten der Bundesregierung. Versuche, schärfere Kontrollen der Autohersteller durchzusetzen, blieben laut Behrens "mehr als halbherzig" - und Sanktionskataloge damit auch wirkungslos.

Auslöser der inzwischen branchenweiten Affäre waren die Manipulationen von Volkswagen. Europas größter Autobauer hatte im September 2015 einräumen müssen, in den USA Testwerte zum Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide von Dieselwagen gefälscht zu haben. Der VW-Konzern vertritt die Auffassung, dass der Einsatz seiner Abschaltsysteme in Europa legal war. Die Nutzung solcher Programme ist hier seit 2007 verboten. Es gibt aber Ausnahmen - etwa wenn Motorschäden oder eine Beeinträchtigung der Sicherheit drohen.

Der Skandal hatte unter anderem zum Rücktritt von VW-Konzernchef Martin Winterkorn und zu milliardenschweren Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten geführt. VW musste zudem herbe Verluste hinnehmen. Als sich bei Nachmessungen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) dann auch auffällige Abgaswerte bei Modellen anderer Hersteller zeigten, weitete sich die Abgas-Affäre aus. Die betroffenen Regierungen haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe zu antworten. Danach kann die EU-Kommission den nächsten Schritt des Verfahrens einleiten, das am Ende zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen kann.

Quelle: ntv.de, fma/dpa

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