Politik

Deutet die SignaleTrump sagt nicht Krise, aber er redet darüber

16.11.2025, 21:31 Uhr
imageVon Roland Peters, New York
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Unbeliebt: US-Präsident Donald Trump. (Foto: AP)

Inflation, drohende Krise, geplatzte Versprechen - US-Präsident Trump dementiert alles. Doch abenteuerliche Vorschläge in Richtung seiner Wähler sprechen Bände.

Wird Donald Trump direkt auf die Wirtschaft angesprochen, ist alles gut, golden, großartig. "Wir haben derzeit die beste Wirtschaft", zeigte sich der US-Präsident ein Jahr nach seinem eigenen Wahlsieg überzeugt. Die Inflation? "Jeder Preis ist niedriger", behauptete er: "Viel niedriger." Sie existiere "praktisch nicht". All das ist falsch.

Die Wirtschaft wuchs um 1,4 Prozent im ersten Halbjahr, aber ohne KI-Unternehmen nur um 0,1 Prozent. Die Inflation legte in den vergangenen Monaten stetig zu und liegt bei rund 3 Prozent. Trump sagt nichts darüber, aber seine Vorschläge und die Veröffentlichungen des Weißen Hauses sprechen eine andere Sprache: Demnach klopft die Krise an die Tür. Neben ihr stehen die Wähler und beschweren sich lautstark. Trump versucht, die schlechte Stimmung mit allerlei Vorschlägen aufzuhellen. Seine grobschlächtige Industriepolitik mit dem Zollhammer ist offenbar einer der Gründe dafür.

Was Trump mache, sei ein "zufälliger Mischmasch", keine Industriepolitik, wird die renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato vom University College London von "Politico" zitiert: "Er will damit mächtig und stark wirken, während er in Wirklichkeit die Wirtschaft schwächt, indem er genau die Industriestrategie abschafft, die zur Gründung von Unternehmen wie Intel geführt hat". Das waren der Ökonomin zufolge staatliche Anreize. "Industriepolitik ist nicht nur ein einzelnes Werkzeug, sondern ein ganzes Set anderer Maßnahmen". Eine Regierung müsse eine Richtung vorgeben.

Vernichtendes Urteil der Wähler

Die Wähler sind äußerst unzufrieden mit Trump, ihre Hauptsorge sind die Lebenshaltungskosten. Die Zustimmungswerte für ihn sind so schlecht wie bei keinem Staatschef vor ihm zum gleichen Zeitpunkt der Präsidentschaft. Im Oktober stellten ihm die US-Amerikaner laut CNN ein vernichtendes Urteil aus: Noch nie bewerteten sie demnach die Wirtschaftspolitik eines Präsidenten schlechter. Der hatte versprochen, ab "Tag eins" die Preise zu senken. Das ist nicht geschehen. Zwar begann das Problem vor seiner Präsidentschaft. Aber er muss sich damit herumschlagen.

Die Verbraucherpreise sind seit Anfang 2021 um rund 25 Prozent gestiegen, und die Löhne haben bis heute nicht komplett aufgeholt. Trumps Zölle, praktisch eine zusätzliche Steuer, die irgendwann auch beim Verbraucher ankommen, erschweren die Angleichung. Heißt: Die Menschen bemerken weiterhin keine Verbesserung, sondern hecheln den Preiserhöhungen hinterher, da sie mehr Geld als zuvor für den Alltag benötigen. Sie sparen so wenig wie nie seit Trumps Amtsantritt. Der sitzt auch deshalb im Weißen Haus, weil die Wähler den Demokraten als Regierungspartei die Inflation angekreidet hatten.

Seit den Wahlniederlagen Anfang November hat der Präsident bereits öffentlich darüber sinniert, jedem US-Bürger mit niedrigen oder mittleren Einkommen 2000 US-Dollar auszuzahlen. Dafür dürften die Zolleinnahmen laut Ökonomen der unabhängigen Denkfabrik Tax Foundation jedoch bei Weitem nicht reichen. Die Experten schätzen, dass die Zölle das Wirtschaftswachstum in den kommenden zehn Jahren um etwa 0,6 Prozent verringern und etwa 600.000 Vollzeitjobs kosten werden.

Erschwinglichkeitskrise könnte sich verschärfen

Trump hat auch vorgeschlagen, die bislang auf maximal 30 Jahre begrenzten Immobilienkredite für Privathaushalte auf 50 Jahre auszuweiten; das würde lediglich die einzelnen Rückzahlungsraten und finanziellen Druck zwar verringern, am Grundproblem der hohen Immobilienpreise aber wohl nichts ändern. Am Freitag kündigte die Regierung zudem an, die Zölle für bestimmte Lebensmittel wie Tomaten oder Bananen wieder abschaffen zu wollen. Auch Fleisch und Kaffee sollen künftig ausgenommen werden - deren Preise sind in diesem Jahr um rund 19 Prozent gestiegen.

Damit gibt Trumps Regierung indirekt zu, dass ihre Zölle auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Auf der Website des Weißen Hauses haben vier der fünf Veröffentlichungen seit dem Wahltag am 4. November mit Verbraucherpreisen zu tun. "Wir machen große Fortschritte bei Preisen - und wir arbeiten weiter daran, dass jeder davon profitiert", hieß es dort am Freitag. Davon ist die Wirtschaft derzeit weit entfernt. Weite Teile der Bevölkerung fühlen sich von den oberen zehn Prozent abgehängt.

Die Erschwinglichkeitskrise wird sich voraussichtlich verschärfen. Erste US-Amerikaner bekommen bereits ihre Briefe, was ihre Krankenversicherung im kommenden Jahr kosten wird: Für etwa 22 Millionen US-Amerikaner, die über Obamacare versichert sind, also bezuschusste Privatversicherungen, wird es wegen wegfallender staatlicher Zahlungen ab Januar im Schnitt mehr als das Doppelte sein. Mehrere Millionen Menschen könnten ihre Versicherung ganz aufgeben müssen.

Dies triebe die Lebenshaltungskosten weiter nach oben. Eine von Trump geäußerte Idee für Abhilfe: Es sei besser, die Zuschüsse direkt an die Menschen auszuzahlen. Der Präsident verspricht zudem, "eine viel bessere und viel weniger teure" Alternative einzuführen. Erarbeiten sollen diese in Windeseile, bis Mitte Dezember, die Republikaner im Kongress. Schon in Trumps erster Amtszeit hatten die Konservativen versucht, Obamacare abzuschaffen und waren damit mehrmals gescheitert.

Gespenst der Investitionsblase

Eine spürbare Besserung der Lage ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Abseits der sintflutartigen Investitionen der KI-Unternehmen -auch schuldenfinanziert - in neue Datenzentren und anderes, herrscht finanzielle Dürre in der greifbaren US-Wirtschaft. Dazu geht das Gespenst einer Investitionsblase um - sollte sie platzen, könnte die Krise ganz schnell um sich greifen. Trump behauptet das Gegenteil, verweist immer wieder auf zugesagte Investitionen in neue Industrie, die es ohne seine Importzölle nicht gegeben hätte.

Doch der erste echte Stimmungstest für seine Politik ging Anfang November krachend daneben. Nicht nur wegen New York und ihrem künftigen linken Bürgermeister; die größte Stadt des Landes ist ein Sonderfall. In den Bundesstaaten New Jersey und Virginia gewannen die Gouverneurskandidatinnen der Demokraten, die sich im Wahlkampf auf die hohen Lebenshaltungskosten konzentriert hatten, haushoch. Den Republikanern gingen scharenweise Latinos und Schwarze aus der Arbeiterschicht von der Fahne. Seither weiß Trump, was die Stunde geschlagen hat.

Quelle: ntv.de

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