Prominente Frauen im Visier Erneut "NSU 2.0"-Drohmails verschickt
16.07.2020, 10:10 Uhr
Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Partei "Die Linke", arbeitete im NSU-Untersuchungsausschuss mit.
(Foto: picture alliance / Boris Roessle)
Bereits vor zwei Jahren bekommt eine Anwältin das erste Drohschreiben, das mit "NSU 2.0" unterzeichnet ist. Auf die gleiche Weise werden später unter anderem Politikerinnen der Linkspartei bedroht. Nun tauchen abermals solche E-Mails auf - und wieder richten sie sich gegen bekannte Frauen.
Die Serie der Drohmails gegen Politikerinnen und andere Frauen des öffentlichen Lebens reißt nicht ab. Nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft sind erneut mit "NSU 2.0" unterzeichnete Drohmails eingegangen, in denen den Linken-Politikerinnen Janine Wissler, Martina Renner und Anne Helm sowie der Kabarettistin Idil Baydar der Tod gewünscht wurde. Sie seien "an einen größeren Empfängerkreis" gegangen und in ähnlicher Art abgefasst wie die vorangegangenen Drohschreiben, sagte eine Sprecherin.
Auch fast zwei Jahre, nachdem die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz die erste Adressatin von Drohschreiben gegen sich und ihre Familie wurde, ist noch nicht bekannt, wer hinter den Schreiben steckt. Die Anwältin hatte im Münchner Prozess um die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) Opferfamilien vertreten. In den Fällen von Basay-Yildiz, Wissler und Baydar wurden persönliche Daten der Frauen von Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgefragt, ehe Drohschreiben verschickt wurden. Am Dienstag schickte Innenminister Peter Beuth Landespolizeipräsident Udo Münch in den einstweiligen Ruhestand. Münch übernahm damit die Verantwortung für die späte Information der Ministeriumsspitze über die Abfragen von Wisslers Daten.
Grüne fordern Konsequenzen
Grünen-Chef Robert Habeck forderte Konsequenzen aus der Affäre um die rechtsextremen Drohschreiben und um ein mögliches rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei. "Aufgabe der Politik ist es jetzt, sehr entschlossen aufzuklären und die Strukturen so zu verändern, dass sich solche skandalösen Vorfälle nicht wiederholen können", sagte Habeck dem Bonner "General-Anzeiger". Er plädierte für Polizeibeauftragte auf Landes- und Bundesebene, die aus dem Berufsumfeld der Polizei kommen sollten. "Die Vertrauensbasis für die Meldung von Missständen ist größer, wenn man weiß, dass die Beauftragten Ahnung und Erfahrung aus eigenem Erleben haben."
Im Bundestag waren die Grünen kürzlich mit ihrem Vorstoß für einen unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes gescheitert - an einen solchen Delegierten sollten sich Bürger wenden können, wenn ihnen Fehlverhalten oder strukturelle Missstände bei der Polizei auffallen. Unionspolitiker hatten damals unter anderem darauf verwiesen, dass Maßnahmen der Polizei immer auch auf dem Rechtsweg überprüft werden könnten, und vor einer "Paralleljustiz" gewarnt.
Quelle: ntv.de, hul/dpa