Politik

Interview mit Peter Neumann "Es könnte ein Einzeltäter sein"

Der Breitscheidplatz am Tag danach.

Der Breitscheidplatz am Tag danach.

(Foto: REUTERS)

Was steckt hinter der Attacke von Berlin? Welche Handschrift trägt der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt? Noch sind viele Fragen offen. Terrorismusexperte Peter Neumann stellt bei n-tv fest: Deutschland wird sich daran gewöhnen müssen, bei Großveranstaltungen Antiterrormaßnahmen einzuplanen.

n-tv: Herr Neumann, ist das die Handschrift des IS?

Peter Neumann: Darauf deutet vieles hin. Wir haben noch kein offizielles Bekennerschreiben des sogenannten Islamischen Staates durch die offiziellen Kanäle. Wir wissen auch noch relativ wenig über den Attentäter. Das sind zwei Punkte, die müssen noch etabliert werden, und dann kann man mit größerer Sicherheit davon sprechen.

Was spricht bereits jetzt dafür?

Der Modus Operandi, die Anschlagsmethode, deutet auf den Islamischen Staat hin. Natürlich gab es dieses Jahr den Lastwagenanschlag in Nizza. Es gab aber Ende 2014 – und das wird häufig vergessen – schon eine Serie von Anschlägen auf Weihnachtsmärkte mit Autos. Das war in Frankreich damals, da kamen nicht so viele Leute zu Schaden, deswegen ist es etwas untergegangen in der öffentlichen Wahrnehmung. Aber genau diese Anschlagsmethode wurde auch damals schon vom Islamischen Staat durchgeführt.

Das heißt, niemand kann behaupten, Deutschland sei nicht gewarnt gewesen. Hätte man mehr tun können, mehr tun müssen?

Es kommt natürlich darauf an, wie viele Leute bei der Anschlagsplanung beteiligt waren, wie lange das tatsächlich geplant wurde und mit welchen Netzwerken das zusammenhängt. Es kann durchaus so sein, dass das ein einzelner Attentäter war, der das relativ kurzfristig geplant hat. Deswegen ist es nicht klar, wie viel tatsächlich hätte getan werden können.

Sind solche Attacken zu verhindern?

Peter Neumann, Terrorismus-Experte, Professor für Sicherheitsstudien am King's College London, Leiter des International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR).

Peter Neumann, Terrorismus-Experte, Professor für Sicherheitsstudien am King's College London, Leiter des International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR).

(Foto: picture alliance / dpa)

Was getan werden kann und woran wir uns, glaube ich, auch gewöhnen müssen, ist, dass wir bei diesen Großveranstaltungen oder bei Veranstaltungen, wo große Menschenmengen zusammenkommen, bei der Planung schon routinemäßig über defensive Antiterrormaßnahmen nachdenken. Wie zum Beispiel kann man einen Ort besser sichern? Wie kann man natürliche Barrieren nutzen? Wie kann man zum Beispiel Poller aufstellen? Wie kann man Polizeiautos so platzieren, dass es eben schwieriger wird für einen Lkw, in eine Menschenmenge zu rasen? Darüber müssen wir uns auch im Vorfeld dieser Veranstaltungen mehr Gedanken machen.

All das beeinflusst aber das Lebensgefühl in Deutschland. Eine tolerante, offene Gesellschaft, die Angst vor Terroranschlägen haben muss, jederzeit an jedem Ort – das ist nicht das, was man sich wünscht.

Da sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an. Denn man darf niemals vergessen: Der ultimative Zweck und das Ziel von Terror ist, Gesellschaften zu terrorisieren, ihnen Angst einzujagen, Misstrauen zu säen und Gesellschaften zu spalten. Die Politik muss da viel tun. Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns richtig aufstellen, um dieser Gefahr in den kommenden Jahren gegenüberzutreten.

Wie sollte man reagieren, um nicht das zu tun, was die Terroristen sich wünschen, beabsichtigen?

Was die Gesellschaft angeht, ist die richtige Antwort auf jeden Fall nicht, sich zu Hause einzuschließen oder anderen Menschen mit Misstrauen gegenüberzutreten, sondern im Prinzip zu versuchen - soweit das möglich ist - ein ganz normales Leben weiterzuleben. Und auch wenn das emotional nicht hilft: Statistisch gesehen ist es nach wie vor sehr, sehr unwahrscheinlich, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen. Auch wenn das momentan wahrscheinlich keine große Hilfe ist und die Menschen Angst haben.

Quelle: ntv.de

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