
Zwischen Lindner und Habeck scheint es immer auf und ab zu gehen. Zuletzt standen die Zeichen mal wieder auf Frust. So wie regelmäßig zwischen Grünen und FDP.
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Streit und Diskussionen gehören zu dieser Ampelkoalition dazu wie das Salz zur Suppe. Ein bisschen muss sein, zu viel ist nicht gut. Gerade brodelt es wieder einmal besonders laut, denn die Grünen bingen drei neue Streitthemen auf die Tagesordnung.
Sobald die Grünen neue Gesetzesvorhaben auf den Tisch legen, kann man anfangen herunterzuzählen: 5, 4, 3, 2, 1 … und schon erscheint eine Stellungnahme der FDP, in der heftige Kritik daran geübt wird. In diesen Wochen ist die Schlagzahl besonders rasant. Drei Streitthemen setzen die Grünen auf die Tagesordnung: Kindergrundsicherung, Werbeverbot für Süßigkeiten und nun ein mögliches Verbot von Öl- und Gasheizungen.
Man könnte einwenden: Wieso Streitthemen? Denn auf all diese Projekte haben sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag geeinigt. Das stimmt zwar, aber der Vertrag ist mittlerweile auf den Status einer losen Ideensammlung herabgesunken. Je nach Interessenlage holen die Parteien ihn aus der Schublade und pochen auf Umsetzung - oder sie sagen, dass der Ukraine-Krieg alles auf den Kopf gestellt habe und man nochmal neu überlegen müsse.
"Der Ukraine-Krieg stand nicht im Koalitionsvertrag", sagte beispielsweise FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Interview mit ntv.de. So rechtfertigte er die Forderung von Verkehrsminister Volker Wissing, dass nicht nur die Planung von Bahnstrecken, sondern auch von Autobahnen vereinfacht werden solle - obwohl vereinbart war, dem Gleisbau Vorrang einzuräumen. Die Verkehrspolitik ist noch so ein Dauerbrenner dieser Koalition, der bereits seit Monaten mal hinter, mal vor den Kulissen die Flammen hochschlagen lässt. Ganz zu schweigen vom Verbrenner, dessen Verbot durch die EU die FDP so nicht hinnehmen will. Gerade erst sagte Wissing, er wolle selbiges blockieren, wenn nicht E-Fuels erlaubt blieben. Was die Grünen als neuerliche kalte Dusche empfinden dürften.
Lang schiebt den Lautstärkeregler hoch
Auch über die Kindergrundsicherung sprechen die Grünen schon seit Wochen, nun verschärft sich der Ton. Familienministerin Lisa Paus forderte im "ntv Frühstart", jetzt sozialpolitische Projekte zu priorisieren. "Ich möchte jetzt nicht äußere gegen innere Sicherheit ausspielen. Aber völlig klar ist: In dieser Krisensituation müssen wir auch dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderfliegt", sagte die Grünen-Politikerin. Die Kindergrundsicherung ist ein Projekt der Grünen, mit dem sie Wahlkampf gemacht haben. Allein deswegen müssen sie darauf dringen, es umzusetzen.
Das Familienministerium hatte im Januar Eckpunkte zu dem Vorhaben an andere beteiligte Ressorts verschickt. Demnach sollen in der Kindergrundsicherung bisherige Sozialleistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengefasst werden. Durch eine einfachere Struktur und leichteren Zugang sollen mehr Familien erreicht und Kinderarmut bekämpft werden. Vorgesehen ist ein "Garantiebetrag" für jedes Kind, mindestens in Höhe des Kindergeldes. Hinzu soll ein "Zusatzbetrag" kommen, dessen Höhe vom Einkommen der Eltern abhängt.
Beim politischen Aschermittwoch vergangene Woche schob Grünen-Chefin Ricarda Lang den Lautstärkeregler hoch: "Die Kindergrundsicherung ist für mich das sozialpolitische Projekt dieser Bundesregierung. Und wir sagen klar, den Kampf gegen Kinderarmut, den gibt es nicht zum Nulltarif. Aber das muss es uns verdammt nochmal wert sein."
Lindner blockt ab
Da hatte sich bereits Finanzminister Christian Lindner zu Wort gemeldet. "Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort", hatte er dem Portal t-online gesagt. Es sei nicht im Interesse der jungen Generation, neue Schulden zu machen. Die Kinderarmut sei vor allem durch Zuwanderung gestiegen. Statt "neuer Transfers" schlug er vor, den Eltern zu helfen, Deutsch zu lernen und einen Job zu finden. Es gebe auch noch kein fertiges Konzept zur Kindergrundsicherung.
Am Montag trat dann Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir vor die Presse. Der Grünen-Politiker stellte Punkte für einen Gesetzentwurf für ein Werbeverbot für besonders zucker-, salz- und fetthaltiges Essen für Kinder vor. Zwischen 6 und 23 Uhr sollen diese demnach gar nicht mehr beworben werden dürfen, weder im Fernsehen noch im Internet. Auch das wurde grundsätzlich so vereinbart. Auf die Kritik der FDP musste man nicht lange warten. Der agrarpolitische Sprecher der Fraktion, Gero Hocker, kündigte umgehend an, innerhalb der Ampel werde der Grünen-Politiker "keine Mehrheit finden". Özdemir verfolge offenbar das Ziel, "aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen".
Am heutigen Dienstag machte dann ein Vorhaben aus dem von Robert Habeck geführten Wirtschaftsministerium Schlagzeilen. Die "Bild"-Zeitung berichtete über einen Gesetzentwurf, der den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 verbieten würde. Stattdessen müssten Fernwärme, Wärmepumpen oder Biomassekessel verwendet werden. Nach Informationen von ntv ist der Entwurf nicht mehr aktuell, eine neue Version soll demnächst vorgestellt werden.
Dann waren da noch diese Briefe
Im Koalitionsvertrag steht dazu, dass ab Januar 2025 "jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden" solle. Auch hier braut sich etwas zusammen: Der "Bild" sagte der FDP-Sprecher für Bauen und Wohnen, Daniel Fröst, Habeck und sein Ministerium "haben manchmal Fantasien, die mit der FDP nicht zu machen sind". Auch aus dem SPD-geführten Bau-Ministerium sei Widerspruch gekommen.
Als wäre das nicht genug, gibt es auch noch die herzlich-ätzenden Briefe, die sich Lindner und Habeck hin und her schickten. Dabei ging es ums Geld, genauer: um den künftigen Haushalt. Habeck hatte darin Steuererhöhungen angeregt, um die Vorhaben zu finanzieren - für den FDP-Chef ein No-Go. Dieser antwortete im süffisanten Ton. Dass beide Briefe nicht zufällig ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden, spricht für das schlechte Klima innerhalb der Ampel. Das soll sich ab dem kommenden Sonntag ändern. Dann geht die Koalition für zwei Tage in Klausur auf Schloss Meseberg.
Immerhin soll Bundeskanzler Olaf Scholz sich auf Lindners Seite geschlagen haben. Neue Schulden über die Schuldenbremse hinaus wird es demnach nicht geben. Neuen Streit dagegen schon. Darauf kann man sich bei dieser Koalition verlassen.
Quelle: ntv.de