
Immer weiter: Donald Trump steht zwei Tage nach dem Attentat wieder vor den Kameras.
(Foto: AP)
Der Parteitag der Republikaner ist eine Demonstration der Stärke von Donald Trump. Immer wieder werden Fäuste in die Höhe gereckt, auch für ihn gebetet. Und dann tritt er selbst ins Rampenlicht, erstmals seit dem Attentat. Die Arena tobt.
Als er am Montagabend auf den riesigen Bildschirmen auftaucht, geht ein Aufschrei durch die Halle. Donald Trump wartet auf seinen Einzug in den Nominierungsparteitag der Republikaner. Er steht in den Katakomben, nach ein paar Sekunden deutet er auf sein verbundenes rechtes Ohr und blickt direkt in die Kamera: "Ich höre euch, ich höre euch", sagen seine Lippen tonlos. Die Delegierten und Gäste jubeln noch lauter, es klirrt in den Gehörgängen. Er geht los, in den Innenraum, eine kurze Treppe hinauf auf einen kleinen Balkon vor der Ehrentribüne, wo schon seine Familie und Kongresspolitiker warten. Die Halle bricht in "U-S-A"-Rufe aus. In "Wir lieben Trump"-Rufe. Und in "Fight, fight, fight" mit erhobenen Fäusten. Kämpft, kämpft, kämpft.
Alles ist in diesen Tagen Kampf. Draußen, in Sichtweite der Veranstaltungshalle des Parteitags der Republikaner, schon am Vormittag. "Wenn Frauenrechte angegriffen werden, was tun wir?", fragt dort ein Sprecher der Gegendemonstration. "Aufstehen und kämpfen!", rufen ein paar Hundert Menschen unter der knallenden Vormittagssonne zurück. In einem Park hat sich eine wilde Mischung aus verschiedenen Bürgerrechtsgruppen zusammengefunden: Pro Palästina, Pro Abtreibung, Friedensaktivisten, gegen Polizeigewalt; linke Splittergruppen. Aus den Boxen dröhnt Musik der Band Rage Against the Machine. Abtreibungsgegner recken Schilder mit blutigen Föten in die Höhe und versprechen den Anwesenden per Megafon, dass sie zur Hölle fahren werden.
Drinnen, in der klimatisierten Halle der Convention, brechen die Anwesenden den ganzen ersten Tag immer wieder in "Fight, fight, fight!"-Rufe aus. So wie es Trump am Samstag vormachte, als er von einem Attentäter angeschossen worden war. Statt sich wegtragen zu lassen, wollte er zurück auf die Füße, reckte die Faust in den Himmel, Blut auf der Wange, und sagte "Fight, fight, fight". Nun ist er einer, den selbst eine Kugel nicht dauerhaft niederstrecken kann. "Ein Wunder" sei das gewesen, sagt eine Besucherin. Schon am Sonntag landete Trump in Milwaukee, am Donnerstag wird er die Präsidentschaftsnominierung für die Wahl im November offiziell annehmen. Es ist eine große Show um ihn. Sie soll der Beginn eines Siegeszugs sein, der im Weißen Haus endet.
Beten und jubeln für den tapferen Kämpfer
Vor dem großen Einzug finden die Formalitäten statt. Am Montagmittag betet zunächst ein Geistlicher mit den Anwesenden für Trump. Sprecher um Sprecher der Bundesstaaten überbieten sich in Kurzvorträgen dazu, warum er auch das dritte Mal in Folge der beste Kandidat sei, und übergeben die Delegiertenstimmen ihrer Staaten an den Ex-Präsidenten. Wer lauter schreit, erntet mehr Jubel. Für Zweifel ist hier kein Platz, für Selbstkritik schon gar nicht. Für sie ist Trump ein tapferer Kämpfer, ein Versprechen für einen Wahlsieg. Kein verurteilter Krimineller, Vergewaltiger und Wahlbetrüger.

Eine Rede hielt Trump am ersten Tag des Nominierungsparteitags noch nicht - die Spannung bis dahin muss erst noch aufgebaut werden.
(Foto: REUTERS)
In den Gängen sind Fotos von Trump angebracht, die Bühne leuchtet in Rot und Blau, eine Coverband haut den Besuchern zwischendurch einen alten Rocksong nach dem anderen um die Ohren. Die Journalistentraube hat sich um die Delegierten aus Florida geschart, denn deren Stimmen werden Trump die Mehrheit bringen. Sein Sohn Eric überbringt die Nachricht, die Halle bricht in Jubel aus. Er ist nun offiziell nominiert.
Auf der Tribüne glüht Iva Russell aus Tennessee vor Aufregung. Ihr Alter will sie nicht verraten; jüngeren Semesters ist sie nicht mehr, aber zum ersten Mal dabei. "Es sind sehr schwierige Zeiten für viele von uns, die lieben, statt zu hassen", sagt sie. "Ich will niemanden wegen einer Wahl hassen, weil es gegen unseren Plan geht, einfach zu leben und leben zu lassen." Ob Trump der beste Kandidat sei? "Für die Zeiten, in denen wir sind, ja." Sie hätte lieber jemanden wie Ronald Reagan, an den sie gute Erinnerungen hat. "Ich vermisse jemanden wie ihn, dessen Worten ich trauen kann. Ich vermisse die Höflichkeit."
Vize Vance als Sonderbeauftragter für Arbeiter
Während die Bundesstaaten noch ihre Stimmen erklären, sickert über die US-Medien durch, dass Trump sich für J.D. Vance als seinen Vizekandidaten entschieden hat. Manche schreiben den Namen des Senators aus Ohio auf die Trump-Schilder, die sie immer wieder jubelnd in die Höhe recken. Erste "J.D."-Sprechchöre sind zu hören. Mit einem überwältigend lauten "Yay" bestätigten die Delegierten ihn als Vize. "I'd love you to love me", tönt die Band, "I need you to need me".
Vance kommt in den Innenraum, schüttelt minutenlang Hände, scherzt, macht Selfies mit Anhängern. Der 39-Jährige ist die junge MAGA-Generation: Er kommt aus einer Arbeiterfamilie, gibt sich volksnah und hat eine Aufstiegsgeschichte hinter sich. Trump postet in seinem sozialen Netzwerk Truth Social, Vance werde sich im Wahlkampf auf die "amerikanischen Arbeiter und Bauern" in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio, Minnesota und darüber hinaus konzentrieren, "für die er so hervorragend kämpft". Der Senator soll für Trump die Bundesstaaten gewinnen, die er mit Vize Mike Pence vor vier Jahren an US-Präsident Joe Biden verloren hat. Das kostete ihn die Wahl.
Wegen seiner Vorgeschichte passt Vance zum neuen Wahlprogramm: "Für die vergessenen Männer und Frauen Amerikas", steht darüber. Dies wird nicht vorgestellt oder gar diskutiert; hier reicht der Hinweis von der Bühne, dass Trump persönlich es sich angesehen und genehmigt habe. Nicht ohne Änderungen: So hat Trump zum Beispiel durchgedrückt, dass die Bundesstaaten weiterhin ihre eigenen Abtreibungsregelungen festsetzen sollen, und die Republikaner kein landesweites Verbot anstreben. So hatte es der konservativ dominierte Supreme Court im Jahr 2022 entschieden. In den folgenden Kongresswahlen verloren die Republikaner deshalb entscheidende Sitze; im Senat errangen die Demokraten eine Mehrheit.
Eine der Rednerinnen am Abend des ersten Tages ist die Abgeordnete Marjorie Taylor Green, die für ihre Pöbeleien in den Medien und im Kongress bekannt ist. "Donald Trump ist der Präsident, den die Vereinigten Staaten verdienen", sagt sie unter Jubel. Sie bleibt überraschend zahm. Vielleicht hat sie sich ja von Trump etwas abgeguckt, der nach dem Attentat am Samstag seine Rede für das große Parteitagsfinale am Donnerstag entschärft haben soll.
Trump lächelt gönnerhaft von der Ehrentribüne auf die letzten Redner des Abends, die von ihren Alltagsproblemen berichten und für seine Wahl plädieren. Die Teilnehmer wird es noch einmal von ihren Stühlen reißen. "Ob Sie ihn mögen oder nicht, aber nachdem, was am Samstag passiert ist", ruft ein Gewerkschaftsführer ins Bühnenmikrofon: "Er ist ein harter Hurensohn!" Die Arena explodiert. Ja, Trump ist zurück. Mit aller Macht der Republikaner.
Quelle: ntv.de