Koalition streitet über Abzug Gabriel reist wegen Incirlik in die Türkei
30.05.2017, 18:19 Uhr
Landen Bundeswehrflugzeuge bald nicht mehr in Incirlik? Die SPD will das bald beschließen.
(Foto: REUTERS)
"Beispiellos" nennt SPD-Chef Schulz das Besuchsverbot deutscher Parlamentarier im türkischen Incirlik. Seine Partei fordert einen sofortigen Beschluss zum Abzug. Doch die Koalitionspartner von der Union wollen weiter verhandeln.
Im Streit um das Besuchsverbot auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik reist Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nach Angaben der Regierung in Ankara am kommenden Montag in die Türkei. "Wir stehen kontinuierlich in Kontakt mit Sigmar Gabriel, um die Probleme zu überwinden. Er selber wird am Montag kommen", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Ankara.
Cavusoglu stellte aber Bedingungen für einen Besuch von Bundestagsabgeordneten in Incirlik. "Wir sehen, wie Deutschland alles unterstützt, was gegen die Türkei gerichtet ist", sagte er. "Unter diesen Umständen können wir Incirlik gegenwärtig nicht für deutsche Abgeordnete öffnen ... Sollten sie in Zukunft positive Schritte unternehmen, könnten wir das überdenken." Um welche Schritte es sich handeln soll, sagte er nicht.
Cavusoglu kritisierte erneut, dass die Bundesrepublik Anhänger der Gülen-Bewegung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK schütze. Der Minister fügte hinzu, Deutschland habe die Bundeswehr-Soldaten auf eigenen Wunsch in Incirlik stationiert. "Deutschland wollte kommen. Sie sollen nicht bluffen, uns nicht drohen", sagte er mit Blick auf den möglichen Abzug der Bundeswehr. Die Türkei werde nicht darauf bestehen, dass die Soldaten bleiben.
Koalitionsstreit um Abzug
Derweil streitet die Koalition über den richtigen Zeitpunkt für einen möglichen Abzug deutscher Soldaten aus Incirlik. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die Bundesregierung auf, rasch Konsequenzen aus dem Streit um den Luftwaffenstützpunkt zu ziehen und die Verlegung der deutschen Soldaten einzuleiten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der CDU müsse dem Bundestag sofort einen Verlegeplan für die Bundeswehreinheiten zuleiten, heißt es in einem Beschluss, der von der Fraktion einstimmig angenommen wurde.
Kanzlerin Angela Merkel habe es nicht geschafft, in ihrem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan das Besuchsrecht der Parlamentarier durchzusetzen. Gleichwohl begrüße die SPD-Fraktion weitere hochrangige Gespräche zwischen der deutschen und der türkischen Regierung, um "grundsätzliche Regelungen für parlamentarische Truppenbesuche zu finden", heißt es in dem Beschluss.
Dagegen will die Union weiter mit der Türkei über Besuchsrechte für deutsche Abgeordnete reden. "Jetzt sollen noch einmal Gespräche geführt werden", sagte Kanzlerin Angela Merkel. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte erklärt, man solle erst die diplomatischen Bemühungen abwarten und dann bald über ein weiteres Vorgehen entscheiden. Sie sagte: "Meines Erachtens fallen die Sozialdemokraten ihrem eigenen Minister ein Stück weit in den Rücken, das tun wir nicht."
SPD-Chef Martin Schulz sagte, das Verhalten von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegenüber Deutschland sei "beispiellos in der internationalen Politik". Er lehnte Gespräche mit Ankara aber nicht ab - wohl um seinem Vorgänger Gabriel nicht in den Rücken zu fallen.
Die Türkei hat deutschen Abgeordneten wiederholt die Reise nach Incirlik verweigert. Merkel hatte zwar den Abzug der Soldaten und Tornados angekündigt, falls die Türkei nicht einlenkt. Die Frage ist allerdings, wie viele Gesprächsversuche noch unternommen werden sollen. Die in der Türkei stationierten Bundeswehrsoldaten unterstützen die internationale Koalition im Kampf gegen den IS.
Merkel sagte, die Unionsfraktion sei der Meinung, dass mit Blick auf Gespräche des deutschen und türkischen Außenministers noch keine Entscheidung getroffen werden solle. Sie habe selbst aber klar gemacht, dass die Parlamentarier Zugang zu deutschen Soldaten haben müssten. Ansonsten müsse die Bundeswehr aus dem türkischen Standort abziehen. "Wir werden dann in Richtung der nächsten Sitzungswochen, also noch während des Parlamentsrhythmus', eine Entscheidung treffen, wie es weitergeht", so Merkel. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte, es bestehe kein Zeitdruck, weil der Truppenabzug ohnehin Monate dauern würde.
"Keine Entscheidung gegen die Türkei"
Aus Sicht der SPD könnten die Gespräche mit der Türkei allerdings auch nach einem Rückzugsbeschluss des Bundestags fortgesetzt - und dieser bei einem Einlenken der Türkei wieder revidiert werden. Der designierte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, man dürfe sich von der Türkei nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Schulz sagte: "Incirlik muss so beantwortet werden, dass wir die Soldaten abziehen." SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, die SPD werde Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der CDU auffordern, sofort einen Plan zur Verlegung der Soldaten zu erarbeiten.
Die Spannungen in den deutsch-türkischen Beziehungen waren zuletzt durch die Gewährung von Asyl für türkische Militärs gewachsen. Schulz sagte, diese Entscheidung mit der Erlaubnis von Abgeordnetenbesuchen zu verknüpfen, sei beispiellos. Schließlich gehörten beide Länder der Nato an und die Türkei wolle der EU beitreten.
"Dies ist keine Entscheidung gegen die Türkei. Es ist vielmehr eine Entscheidung für unsere Verfassung und für unsere Soldaten", sagte Oppermann. Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee und werde nur nach Beschluss der Abgeordneten im Ausland eingesetzt. Deswegen sei es wichtig, dass die Soldaten von den Parlamentariern besucht werden könnten.
Quelle: ntv.de, mli/rts