Politik

Herero und Nama dagegen Genozid-Abkommen ist in Namibia hochumstritten

Namibias Präsident Geingob sieht die Anerkennung des Genozids und die offizielle Entschuldigung von deutscher Seite als Erfolg.

Namibias Präsident Geingob sieht die Anerkennung des Genozids und die offizielle Entschuldigung von deutscher Seite als Erfolg.

(Foto: picture alliance / Photoshot)

Jahrzehntelang hat Deutschland den Völkermord an den Herero und Nama nicht als solchen anerkannt. Die Verhandlungen über ein Abkommen dazu dauerten fünf Jahre. Doch gelöst ist der Konflikt nicht.

Das geplante Genozid-Abkommen mit Deutschland sorgt in Namibia weiterhin für Aufruhr. Monatelang waren die Parlamentsdebatten in Namibia aufgrund einer dritten Infektionswelle verschoben worden. Am Dienstag kamen die Abgeordneten schließlich zusammen, um über die deutschen Entschädigungen abzustimmen. Doch statt zu einer Einigung kam es in Windhoek abermals zu Protesten und scharfer Kritik an der angebotenen Summe.

Hunderte Demonstrierende versammelten sich in der Hauptstadt des Landes. Anhänger der Opposition stürmten das bewachte Parlamentsgebäude, um eine Petition gegen das Abkommen zu überreichen. Auch in der Hafenstadt Walvis Bay bekräftigten Vertreter der Nama und Herero, dass sie das Abkommen nicht annehmen wollen. Der Tenor der Kritiker: Namibia solle nachverhandeln, die angebotene Summe sei inakzeptabel. Immer wieder wurden auch Vergleiche mit den Entschädigungen für Holocaust-Überlebende laut. "Wir verlangen das, was die Juden bekommen haben", zitiert die Tageszeitung "Republikein" Demonstrierende auf ihrer aktuellen Titelseite.

Frans Kapofi, Mitglied der regierenden SWAPO-Partei, hatte das Abkommen im Parlament zur Diskussion gebracht. Er schloss sich zwar der Kritik an dem Betrag in Höhe von 1,1 Milliarden Euro an. Dennoch sei das Abkommen eine "Errungenschaft nach Jahren der Zurückweisung". "Im Gegensatz zu den Juden hatte Namibia bei den Verhandlungen mit Deutschland keine vorteilhaften Bedingungen", sagte Kapofi. Die Debatte blieb bis zum Abend ergebnislos, die Ratifizierung des Abkommens wurde abermals verschoben. Einige Abgeordnete wiesen darauf hin, dass ihnen die Erklärung der Verhandlungsdelegationen nicht vorliege. Sie fordern Zugang zu dem entsprechenden Dokument. Die Genozidverhandlungen bleiben somit weiterhin ein Streitthema in Namibia.

Aus dem Durchbruch wurde ein Flop

Ende Mai hatten die namibischen und deutschen Verhandler nach fünf Jahren ihre gemeinsame Erklärung präsentiert: Nach jahrzehntelanger Weigerung erkennt Deutschland die Kolonialverbrechen an den Nama und Herero zwischen 1904 und 1908 als Völkermord an; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll eine formelle Entschuldigung vor dem namibischen Parlament aussprechen. Zudem will Deutschland über einen Zeitraum von 30 Jahren Hilfsgelder zahlen. Die 1,1 Milliarden Euro sollen in Projekte aus Bereichen wie der Landwirtschaft und Infrastruktur fließen.

Was nach jahrelangen Verhandlungen zunächst wie ein Durchbruch schien, rief vor allem in Namibia gemischte Reaktionen hervor. Während Präsident Hage Geingob von einem "Schritt in die richtige Richtung" sprach, fühlten sich die betroffenen Bevölkerungsgruppen übergangen. In den vergangenen Monaten waren mehrere Schlüsselfiguren der Verhandlungen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben, darunter der namibische Chefunterhändler Zed Ngavirue sowie das Herero-Oberhaupt Vekuii Rukoro. Er galt als einer der schärfsten Kritiker des Abkommens. Deutscher Unterhändler war der CDU-Politiker Ruprecht Polenz.

Dass sich die Fronten weiter verhärtet haben, machten die traditionellen Oberhäupter der Herero und Nama gestern erneut in Windhoek deutlich. Geingob verharmlose ein schmerzhaftes Kapitel ihrer Geschichte, sagten Vertreter der Ovaherero Traditional Authority und der Nama Traditional Leaders Association. "Wenn er (Geingob) es so schwer zu verstehen findet, dass es international gängige Praxis ist, verlorene Menschenleben zu kompensieren, warum spricht er dann nicht zumindest über die materiellen Verluste in Billionenhöhe?" Geingob wisse entweder nicht, was auf dem Spiel steht oder er wolle Deutschland und den Deutschnamibiern gefallen. "Indem er den Genozid verharmlost, positioniert sich Geingob als Genozidleugner und Vertreter Deutschlands."

Deutschsprachige Namibier sehen Abkommen positiv

Damit spielen die beiden Organisationen auf ein Treffen des Präsidenten mit dem Forum Deutschsprachiger Namibier in der vergangenen Woche an. Dabei hatte Geingob darauf hingewiesen, dass er die Anerkennung des Genozids und die offizielle Entschuldigung von deutscher Seite als Erfolg betrachte. Die finanzielle Entschädigung sei dagegen eher symbolisch, da Menschenleben ohnehin unbezahlbar seien. Der Verweis auf die Entschädigungen für jüdische Opfer des NS-Regimes hinke zudem. Schließlich seien die betroffenen Gemeinschaften in Namibia keine Überlebenden, sondern Nachkommen der vierten Generation. Es liege ein Angebot auf dem Tisch. Wenn dies nicht angenommen werde, würden keine weiteren Verhandlungen mehr stattfinden.

Der Oppositionelle McHenry Venaani behauptet lokalen Medien zufolge dagegen, dass der Präsident ihm gesagt habe, sie sollten das Angebot ohne jegliche Rechtsbindung annehmen - sodass Namibia im Anschluss nachverhandeln könne. "Wie kann man eine zwischenstaatliche Übereinkunft im Parlament annehmen und dann Neuverhandlungen anstreben?", fragt der Präsident der Partei Popular Democratic Movement in der Tageszeitung "The Namibian".

Das Forum Deutschsprachiger Namibier sieht die gemeinsame Erklärung der Regierungsdelegationen weiterhin positiv. Nach einem Abschluss der Verhandlungen wolle man sich dafür einsetzen, sich gegenseitig die Hand zu reichen - im Sinne von "One Namibia, one nation".

Das heutige Namibia war von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie. Aufstände der Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama schlug die deutsche Schutztruppe unter Lothar von Trotha brutal nieder. Im Jahr 1904 erließ der General den sogenannten Schießbefehl: "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." In den darauffolgenden Jahren bis 1908 ermordeten kaiserliche Truppen Schätzungen zufolge etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama.

Quelle: ntv.de

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