Interview mit Friedrich Merz "Herr Merz, was haben Sie wirklich vor?"
08.11.2019, 06:00 Uhr
Merz: "Die CDU stürzt ihre Vorsitzenden nicht."
(Foto: imago images/Jens Schicke)
Die CDU steckt spätestens seit der Wahl in Thüringen in einer Führungskrise. Offen wird die Autorität der Parteispitze infrage gestellt. Mit Spannung wird erwartet, ob Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Parteitag der Befreiungsschlag gelingt. Dabei richten sich die Augen auch auf Friedrich Merz.
n-tv.de: Herr Merz, planen Sie wirklich einen Putsch auf dem CDU-Parteitag in Leipzig?
Friedrich Merz: Wo kommt diese Vermutung her? Das ist einfach Unsinn. Die CDU stürzt ihre Vorsitzenden nicht. Wir sind in einer Phase der Klärung und Überprüfung unserer Themen. Und jeder weiß, dass ich gerade nicht hintenherum und verdeckt, sondern mit offenem Visier für meine Meinung und Überzeugungen eintrete.
Was planen Sie dann also in Leipzig? Es kursieren ja wilde Gerüchte.
Anders kann man es wirklich nicht nennen, es sind Gerüchte ohne jede Substanz. Ich nehme an dem Bundesparteitag als Delegierter der CDU des Hochsauerlandkreises teil. Und ich will mich an der Diskussion aktiv beteiligen. Leipzig ist für uns eine Chance, Leipzig hat für die CDU einen guten Ruf. Der Parteitag von 2003 war ein Aufbruch für die CDU nach der Ära Kohl und für Deutschland inmitten der rot-grünen Schwächephase. Wir haben damals weitgehende Reformen und ein Konzept eines radikal vereinfachten Einkommensteuerrechts einstimmig beschlossen …
... Sie meinen Ihre Bierdeckel-Idee?
Der "Bierdeckel" steht ja symbolisch für Vereinfachung und Verständlichkeit. Beides ist heute wieder aktuell. Deutschland braucht einen neuen Schub, um unseren Wohlstand im digitalen Zeitalter zu erhalten. Wir müssen die Fleißigen, den Mittelstand, die Familien im Land entlasten, vor allem von unnötiger Bürokratie. Eine solche "Agenda für die Fleißigen" bekommt großen Zuspruch. Es geht also in Leipzig wieder um einen neuen Aufbruch, den wir in der Partei und im Land dringend brauchen. Dazu will ich meinen Beitrag leisten, mehr nicht.
Derzeit fühlt sich die CDU aber nicht nach Aufbruch an, sondern eher nach Zusammenbruch.
Das Erscheinungsbild der Partei und die Arbeit der Regierung könnten in der Tat besser sein, das stimmt. Es ist nun einmal so: Die zentrifugalen Kräfte nehmen überhand, wenn das Machtzentrum schwindet. Das zeigt sich bei großen Stab-Übergaben häufig. Am Ende der Ära Kohl war die CDU wirklich erschüttert. Am Ende der Ära Seehofer gab es bei der CSU auch jede Menge Ärger. Aber man kann aus diesen Erfahrungen lernen, dass man programmatisch klar werden und die Partei zusammenhalten sollte, dass man nur im Team die neue Zeit gut gestalten kann. Das ist auch der Grund, warum ich mich vor einem Jahr bereit erklärt habe, wieder im Team aktiver mitzuspielen.
Teamaktiv mitspielen? Kritiker werfen Ihnen vor, Sie verübten eher politische Fouls.
Nein, das tue ich nun wirklich nicht. Das wird in Berlin gern erzählt, aber damit lebe ich jetzt schon fast 20 Jahre. Allerdings gibt es in Deutschland mittlerweile parteiübergreifend den fatalen Hang, jede abweichende Meinung in der Sache sofort zu einer Personaldiskussion zu machen und jede Kritik an einer Person zum Putschversuch zu erklären. Daraus folgt eine merkwürdige Verklemmtheit der politischen Diskussion. Dabei erwarten die Menschen im Land von den politischen Parteien doch gerade unterschiedliche Konzepte, zwischen denen sie dann auch wirklich wählen können. Wir brauchen gerade jetzt Offenheit und Mut zur Wahrheit. Die Volksparteien stehen vor dem Kollaps, Populisten bedrängen die Republik, eine Rezession droht und außenpolitisch schwere Konflikte. In so einer Lage ist eine ehrliche Diagnose wichtig. Ich muss dann damit leben, dass mancher darauf lieber mit persönlicher Diffamierung reagiert als mit einer sachlich fundierten Antwort.
Aber es wirkt nun einmal so, dass Sie am Stuhl von AKK sägen. Oder etwa nicht?
Ich habe der Vorsitzenden im letzten Jahr zugesagt, ihr bei der schwierigen Aufgabe, die sie übernommen hat, zu helfen. Das tue ich und diese Hilfe nimmt sie auch in Anspruch. Es gibt kein Wort der Kritik von mir an ihr, weder öffentlich noch in Hintergrundrunden. Ich finde, sie muss für manches, was in der Regierung schiefläuft, auch zu Unrecht den Kopf hinhalten. Wir haben im übrigen - Stichwort Teamplay - vor einem Jahr in einem offenen Wettbewerb um den Parteivorsitz anständig und fair gekämpft und sind darüber nicht zu Gegnern geworden. Das hat der Partei insgesamt sehr gutgetan und daran sollten wir auch wieder anknüpfen. Nur so bleibt die CDU Volkspartei und wählbar für große Teile der Bevölkerung. Und deshalb ist das letzte Jahr für mich auch ein Modell für die Zukunft, bei wichtigen Sachfragen und auch bei zukünftigen Personalentscheidungen.
Wie bitte? Sind Sie etwa nicht für eine Urwahl des Kanzlerkandidaten, wie die Junge Union das als Antrag auf dem CDU-Parteitag einbringt, um gerade Ihnen eine Chance zu eröffnen?
Ich sehe es wie Markus Söder und Armin Laschet. Urwahlen sind für uns kein geeignetes Instrument bei Personalentscheidungen. Die SPD macht damit gerade wieder einmal schlechte Erfahrungen und der Zustand der CDU in Baden-Württemberg ist auch keine Empfehlung für weitere Urwahlen. Andererseits hat die Junge Union natürlich recht, dass man die Breite und die Basis der Partei unbedingt einbinden sollte, das ist gelebte Demokratie. Das wollen alle in der CDU. Deswegen halte ich das Verfahren des Jahres 2018, als wir eine neue Parteivorsitzende über Basis-Regionalkonferenzen mit abschließendem Parteitagsbeschluss gewählt haben, auch für das Beste.
Würden Sie denn 2020 auch antreten? Sie liegen in den Umfragen ja weit vor allen anderen denkbaren Kanzlerkandidaten der Union.
Es gibt derzeit überhaupt keinen Grund, dass ich mich mit dieser Frage beschäftigen müsste. Ich habe versprochen, mich für die CDU wieder stärker einzusetzen, und genau das tue ich. Ich bin in diesem Jahr viel in Deutschland unterwegs und bekomme viel Zuspruch und die Aufforderung, weiterzumachen. Das freut mich natürlich, aber es geht nicht um mich. Wir müssen uns auch unangenehmen Diagnosen offen stellen, wir müssen mit der CSU eng zusammenarbeiten und einen klaren Kurs aufzeigen. Deutschland hat eine Perspektive des Aufbruchs und der Zuversicht verdient. Wir müssen wieder das werden, was wir lange waren: Garant für Stabilität und Motor für Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Politik. Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie ist das alles überragende Thema, die zentrale politische Frage der nächsten Jahre. Wenn ich an diesem Aufbruch mitarbeiten kann, dann will ich das gerne tun.
Mit Friedrich Merz sprach Wolfram Weimer
Quelle: ntv.de