Reise nach Nordirland Johnson kündigt Gesetz gegen Brexit-Vertrag an
16.05.2022, 20:11 Uhr
"Absolut ungeheuerlich": Sinn-Fein-Vorsitzende McDonald sieht den britischen Premier Johnson nicht als fairen Schlichter.
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Ein Besuch des britischen Premiers soll die verfahrene Regierungsbildung in Nordirland in Gang bringen. Trotz eines Wahlsiegs der nationalistischen Sinn Fein blockiert die pro-britische DUP den Prozess. Johnsons mahnt, aber er gibt sich in Belfast nicht als Hüter des Brexit-Vertrags, sondern spricht von Reform.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat ein Gesetzgebungsverfahren angekündigt, um notfalls die Vereinbarungen mit der EU über den Brexit-Status Nordirlands auszuhebeln. Der Tory-Politiker war zu Gesprächen mit Vertretern der größten nordirischen Parteien in die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz gereist. Alle seien der Meinung, das sogenannte Nordirland-Protokoll müsse "reformiert und verbessert" werden, sagte Johnson im Anschluss an die Gespräche. "Wir würden das liebend gerne in einer einvernehmlichen Weise mit unseren Freunden und Partnern tun", fuhr Johnson fort. Doch als Versicherung müsse seine Regierung gleichzeitig gesetzgeberisch tätig werden. Wie das aussehen soll, will Außenministerin Liz Truss noch am morgigen Dienstag im Parlament in London darlegen.
Die EU hatte vor einem einseitigen Vorgehen Londons gewarnt. Das gesamte Handelsabkommen stehe sonst auf dem Spiel, sagte Irlands Außenminister Simon Coveney in Brüssel. Johnson hatte bei dem Besuch in Nordirland zur Bildung einer Einheitsregierung aufgerufen. Die protestantische DUP weigert sich bisher aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll, einen Parlamentspräsidenten zu wählen. Auch einer Einheitsregierung mit der katholisch-republikanischen Sinn Fein will die unionistische Partei nicht beitreten.
Bei Sinn Fein überwog nach dem Treffen mit Johnson deutlich die Skepsis. Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald warf Johnson vor, mit der DUP gemeinsame Sache zu machen. Sollte London tatsächlich versuchen, die Vereinbarungen aus dem Brexit-Vertrag durch nationale Gesetzgebung auszuhebeln, sei das "absolut ungeheuerlich", so McDonald. DUP-Chef Jeffrey Donaldson forderte hingegen Taten von Johnson. Es reiche nicht aus, Gesetze anzukündigen, diese müssten umgesetzt werden, sagte Donaldson.
Johnsons zwiespältiger Gastbeitrag
London hatte von Brüssel wiederholt gefordert, das nach dem Brexit unterzeichnete Protokoll grundlegend neu zu verhandeln. Die EU lehnt dies ab. "Ich hoffe, dass sich die Position der EU ändern wird", schrieb Johnson in einem Gastbeitrag für den "Belfast Telegraph". Andernfalls "wird es notwendig sein zu handeln".
Weiter schrieb Johnson, die Menschen in dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Landesteil hätten bei der Wahl zum Regionalparlament klargemacht, dass sich die Politik auf Themen des täglichen Lebens wie Schulen, Krankenhäuser und die steigenden Lebenshaltungskosten konzentrieren solle. "Wählen Sie einen Parlamentspräsidenten. Bilden Sie eine Regierung. Machen Sie sich an die Arbeit", so Johnson weiter.
Sollte London auf die DUP-Forderungen eingehen und einseitig das Nordirland-Protokoll aussetzen, wäre dies für die EU ein Verstoß gegen internationales Recht. Brüssel droht in diesem Fall mit harten Vergeltungsmaßnahmen wie Strafzöllen. Das sei aktuell auch angesichts des Ukraine-Krieges aber "das letzte, was Europa braucht", sagte der irische Außenminister Simon Coveney am Rande eines EU-Ministertreffens in Brüssel.
Klarer Wahlsieg für Sinn Fein
Die DUP hatte die Regionalregierung im Februar aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll im EU-Abkommen zu Fall gebracht. Die Unionisten wehren sich gegen im Protokoll vorgesehene Zollkontrollen im Warenaustausch zwischen der britischen Provinz und dem restlichen Vereinigten Königreich. Sie befürchten, dass dies einen Keil zwischen Nordirland und das britische Festland treibt, und fordern die Abschaffung der Zollvorschriften.
Die Regionalwahlen vor zwei Wochen gewann dann erstmals in der Geschichte der Provinz Nordirland die irisch-nationalistische Sinn Fein, die früher als politischer Arm der paramilitärischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) galt. Die Regionalregierung muss gemäß dem Friedensabkommen von 1998 jedoch von katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten gemeinsam geführt werden.
Quelle: ntv.de, mau/dpa