Politik

Interview mit Mike Mohring "Kein Verständnis für diese Eskalation"

Mike Mohring ist Chef der Thüringer CDU und Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei.

Mike Mohring ist Chef der Thüringer CDU und Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei.

(Foto: picture alliance / Martin Schutt)

Diese Haltung teilen vermutlich viele CDU-Politiker: Inhaltlich steht Mike Mohring in der Migrationspolitik näher bei Horst Seehofer als bei Angela Merkel. Dennoch hat er Schwierigkeiten mit der Eskalationsstrategie des CSU-Chefs.

n-tv.de: Sie haben gestern an einer Sitzung Ihres Kreisverbands in Thüringen teilgenommen, als in Berlin fast die Unionsfraktion implodierte. Was haben Ihre Parteifreunde dort dazu gesagt?

Mike Mohring: Ich habe viel Beifall für den Hinweis bekommen, dass die Bürger zu Recht einen handlungsfähigen Staat erwarten, einen Staat, der Gesetze umsetzt und die Lage beherrscht. Dazu ist es wichtig, dass in Berlin weitere Schritte mit Blick auf die Flüchtlingsmigration unternommen werden, dass europäische Lösungen angestrebt und nationale Lösungen vorbereitet werden und dass der Bundesinnenminister mit dieser Aufgabe betraut wird. Für die Eskalation in der Unionsfamilie gab es bei meinen Parteifreunden im Weimarer Land gar kein Verständnis.

Glauben Sie noch daran, dass es einen Kompromiss zwischen Seehofer und Merkel geben kann, der erstens die Wähler überzeugt und zweitens für beide gesichtswahrend ist?

Es muss eine Einigung geben, denn alles andere bedeutet, dass beide Seiten verlieren. Und das kann nicht im Interesse einer funktionierenden Bundesregierung sein. Wenn wir nicht wollen, dass die populistischen Ränder gewinnen, sind wir zum Erfolg verdammt. Der Erfolg geht nur über Handlungsfähigkeit. Wer überfordert wirkt, ist nicht erfolgreich.

Die CSU will "die Migrationspolitik vom Kopf auf die Füße stellen" und fordert eine "Asylwende". Hat es diese Wende nicht längst gegeben und es hat nur keiner mitbekommen, weil die CSU ihre Rhetorik nicht verändert hat?

Tatsächlich ist es so, dass viele im politischen Betrieb noch immer so diskutieren, als seien die Flüchtlingsbewegungen weiterhin so stark wie 2015. Das färbt auch auf viele Leute im Land ab, die sich richtigerweise nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen. Die Zuströme haben deutlich abgenommen, weil viele Staaten in Europa Maßnahmen ergriffen haben und weil die Bundeskanzlerin den Deal mit der Türkei hinbekommen hat. Das hat geholfen, die Lage zu verändern. Durch eine Reihe von Gewaltverbrechen von Flüchtlingen hat sich die Betrachtungslage allerdings zugespitzt. Das treibt die CSU - die sich ja auch im Wahlkampf befindet - an, stärker zu betonen, was die Bundesregierung selbstständig tun kann, wenn es in Europa keine Lösung gibt. Ich setze darauf, dass Angela Merkel mit Sebastian Kurz die Chance der österreichischen Ratspräsidentschaft ab Juli nutzt. Zwei Ziele sollten Deutschland und Österreich in Europa umsetzen: einen wirklichen EU-Außengrenzenschutz und ein einheitliches Asylrecht. Dann würde auch deutlich, dass Europa zur Lösung beitragen kann und nicht nur ratlos zurückbleibt.

Haben Sie Verständnis für das Vorgehen der CSU?

Die inhaltlichen Positionen der CSU teile ich sehr. Aber die provozierende Eskalation der vergangenen Tage kann ich nicht verstehen. Ich sehe nicht, wo am Ende der Erfolg liegt, wenn es zur maximalen Zuspitzung kommen sollte. Die Wähler der Union wollen, dass wir Führungsverantwortung wahrnehmen. Sie wollen nicht, dass wir uns streiten. Wenn wir das tun, schaden wir uns selbst.

Warum einigen sich Seehofer und Merkel nicht einfach darauf, dass Zurückweisungen für den Fall beschlossen werden, dass es bis zum EU-Gipfel Ende Juni keine europäische Lösung gibt?

Ich hoffe, dass genau das am Ende passiert. Ich habe Verständnis dafür, dass man zunächst eine europäische Lösung anstrebt. Die Leute, die dafür werben, sagen ja zu Recht: Wenn wir vor den europäischen Einigungsversuchen nationale Alleingänge organisieren, dann kann es passieren, dass Länder wie Italien damit aufhören, Flüchtlinge zu registrieren. Dann hat auch die von der CSU geforderte Zurückweisung der anderswo bereits registrierten Flüchtlinge keinen Sinn mehr. Dann müssten wir diese Leute aufnehmen und die Asylverfahren durchführen. Das wäre eine Lage, die wir schon mal hatten und die wir nicht mehr wollen. Deshalb muss man bilateralen oder trilateralen Lösungen eine Chance geben. Solche Lösungen sind schlicht langfristig tragfähiger als jeder Alleingang. Sind diese Einigungen auf europäischer Ebene nicht möglich, muss der Innenminister handeln können. Schon heute muss ganz klar gelten: Wessen Asylantrag abgelehnt wurde, hat keinen Anspruch auf ein zweites Verfahren, sondern wird an der Grenze zurückgewiesen beziehungsweise aus Deutschland abgeschoben.

Wie sinnvoll ist dieser Streit überhaupt, wenn die SPD Zurückweisungen am Ende ohnehin nicht mitträgt?

Im Wissen darum, dass man den Koalitionspartner überzeugen muss, hätte viel dafür gesprochen, zunächst intern die Dinge zu klären und nicht der SPD die Möglichkeit zu geben, belustigt und unbeteiligt am Spielfeldrand zu stehen.

Mit Mike Mohring sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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