Halbe EU-Kommission in Kiew Von der Leyen kündigt neue Sanktionen gegen Russland an
03.02.2023, 09:57 Uhr
Der ukrainische Präsident Selenskyj empfängt Kommissionspräsidentin von der Leyen in Kiew.
(Foto: via REUTERS)
Mit 15 Kommissionsmitgliedern reist Ursula von der Leyen in die Ukraine - und sichert Kiew weitere Unterstützung zu. So will die EU ein zehntes Sanktionspaket gegen Russland verhängen und verspricht eine deutliche Ausweitung der Ausbildungsmission.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Besuch Kiew ihre Unterstützung zugesagt. Dabei kündigte sie auch offiziell neue Sanktionen gegen Russland an. "Zwischen jetzt und dem 24. Februar, genau ein Jahr nach Beginn der Invasion, wollen wir ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen", sagte von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Die bislang verhängten Sanktionen hätten der russischen Wirtschaft bereits beträchtlichen Schaden zugefügt, betonte die Kommissionspräsidentin. Allein der Preisdeckel für russisches Öl koste Moskau "etwa 160 Millionen Euro täglich".
Für das bereits seit Dezember in der Vorbereitung befindliche neue Sanktionspaket werden unter anderem neue Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland und dem verbündeten Belarus erwartet. Bereits am Sonntag soll zudem ein Preisdeckel für russische Mineralölprodukte wie Diesel oder Kerosin in Kraft treten, über dessen Höhe Vertreter der EU-Staaten noch beraten. Alle Sanktionen erfordern einen einstimmigen Beschluss der 27 EU-Länder.
EU-Ausbildungsmission wird ausgeweitet
Von der Leyen war am Vormittag in Kiew eingetroffen. Bei ihrem Besuch wird sie von 15 anderen Kommissionsmitgliedern begleitet, darunter auch dem Außenbeauftragten Josep Borrell. Dieser sagte der Ukraine offiziell eine Ausweitung der europäischen Ausbildungsmission (EUMAM) für ukrainische Streitkräfte zu. Die EUMAM werde zusätzliche 15.000 ukrainische Soldaten trainieren und die Gesamtzahl damit auf 30.000 erhöhen, teilte der Spanier nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal in Kiew mit. Zudem habe er angekündigt, dass die EU 25 Millionen Euro für die Minenräumung in zurückeroberten Gebieten bereitstellen werde.
Nach Angaben von Borrell wird sich die EU-Mission künftig auch um die Ausbildung von Kampfpanzerbesatzungen kümmern. Dies soll dafür sorgen, dass die Ukrainer die Leopard-2-Panzer effektiv nutzen können, die Länder wie Deutschland und Polen zur Verfügung stellen wollen.
Der Start der Ausbildungsmission der EU war im November von den Außenministern der Mitgliedstaaten beschlossen worden. Damals hatte es geheißen, es sollten erst einmal bis zu 15.000 ukrainische Soldaten in Deutschland, Polen und anderen EU-Ländern ausgebildet werden. Die EU will mit dem Einsatz dazu beitragen, dass sich die ukrainischen Truppen künftig besser als bislang gegen die Angreifer aus Russland verteidigen können. EU-Beamte hatten bereits am Mittwoch in Brüssel die geplante Ausweitung angekündigt.
Die Bundeswehr bietet im Rahmen der EU-Mission unter anderem eine Gefechtsausbildung für Kompanien sowie Taktikübungen für einen Brigadestab und die untergeordneten Bataillonsstäbe an. Derzeit sind zudem rund 70 ukrainische Soldaten für eine Ausbildung am Flugabwehrraketensystem Patriot in Deutschland.
EU-Ukraine-Gipfel am Freitag
Bei den zweitägigen Gesprächen der EU-Kommission mit der ukrainischen Regierung in Kiew geht es auch um juristische Möglichkeiten zur Ahndung des russischen Angriffskriegs und um den ukrainischen Wunsch nach einem möglichst schnellen EU-Beitritt. Höhepunkt der Reise soll ein EU-Ukraine-Gipfel am Freitag werden. Zu ihm wird auch EU-Ratspräsident Charles Michel erwartet, nicht aber die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten.
"Wir sind zusammen hier, um zu zeigen, dass die EU so fest wie eh und je zur Ukraine steht", schrieb von der Leyen auf Twitter. Ein Foto zeigte sie nach der Ankunft mit dem Nachtzug. Die Reise von der Leyens in die Ukraine ist schon ihre vierte seit dem russischen Einmarsch in das Land im Februar vergangenen Jahres. Es ist jedoch das erste Mal, dass die frühere deutsche Verteidigungsministerin von mehreren Kommissarinnen und Kommissaren begleitet wird.
Neben von der Leyen und Borrell sind unter anderen die Vizepräsidentinnen und -präsidenten Margrethe Vestager, Valdis Dombrovskis, Vera Jourova und Margaritis Schinas Teil der EU-Delegation in Kiew. Für Notfälle in Brüssel ist neben anderen Vizepräsident Frans Timmermans geblieben. Er ist die Nummer Zwei der EU-Kommission und würde im Fall eines Ausfalls von Präsidentin von der Leyen - etwa infolge eines russischen Angriffs auf Kiew - interimsmäßig ihre Aufgaben übernehmen.
"Es gibt noch einiges zu tun"
Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte zuletzt in einer Videoansprache gesagt, er erwarte Entscheidungen der EU-Partner, die den offensichtlichen Reformfortschritten entsprächen. Damit bezog er sich darauf, dass die EU die Ukraine im vergangenen Juni in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen, den Beginn von Verhandlungen über einen Beitritt allerdings an die Erfüllung von sieben Voraussetzungen geknüpft hatte. Bei diesen geht es etwa um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung - insbesondere auf hoher Ebene.
Die EU fordert zudem, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird. Aus der EU-Kommission hieß es dazu zuletzt, dass die Ukraine Fortschritte gemacht habe, eine offizielle Empfehlung für den Beginn von Beitrittsverhandlungen aber vermutlich frühestens in der zweiten Jahreshälfte erfolgen werde. "Wir haben eine Reformdynamik registriert, aber es gibt noch einiges zu tun", sagte ein ranghoher Beamter am Dienstag in Brüssel.
Bei den Gesprächen in Kiew wird es demnach auch um weitere notwendige Fortschritte zum Beispiel bei der Korruptionsbekämpfung und die mögliche EU-Unterstützung dabei gehen. Weitere Themen sollen der Abbau von Handelshemmnissen, humanitäre und militärische Hilfen sowie die geplante Aufnahme der Ukraine in den EU-Roaming-Raum sein. Letzteres würde bedeuten, dass Ukrainer innerhalb der EU mit ihren Mobilgeräten telefonieren, SMS schreiben und Datendienste nutzen könnten, ohne Zusatzkosten fürchten zu müssen. Ebenso würde dies für EU-Bürger in der Ukraine gelten.
Quelle: ntv.de, jug/ghö/dpa/AFP