"Innerhalb vernünftiger Grenzen" Kiew zieht zivile Militärs zum Fronteinsatz heran
19.01.2025, 21:11 Uhr Artikel anhören
Ukrainische Soldaten bei einer Übung in der Region Saporischschja.
(Foto: picture alliance/dpa/Ukraine's 65th Mechanised Brigade Press Service /AP)
Bei der Zahl der potenziellen Soldaten ist die Ukraine Russland klar unterlegen. Nach knapp drei Jahren Krieg zeigt sich dies ganz deutlich. Die Militärführung beginnt, Logistiker und Versorger an die Front zu schicken. Derweil warnt ein Militärexperte vor einer Waffenruhe. Sie könne Russland nutzen.
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach Aussage ihres Oberkommandeurs Olexander Syrskyj zu wenig Soldaten. "Wir müssten die Zahl unserer mechanisierten Brigaden angemessen erhöhen", sagte er im Rundfunk. "Aber die Mobilisierungskapazität reicht leider nicht aus, um diesen Bedarf zu decken."
Daher habe man begonnen, die rückwärtigen Dienste auszukämmen. "Innerhalb vernünftiger Grenzen" werde nunmehr Personal aus der Logistik, Versorgung und Instandhaltung abgezogen, um Lücken zu füllen und neue Einheiten aufzustellen.
Anlass zu dieser Aussage Syrskyjs waren Beschwerden aus Luftwaffenverbänden zu Forderungen, dass von dort hochqualifiziertes Personal abgezogen werden sollte, um an den Fronten eingesetzt zu werden. Die Armeeführung habe diesen Bestrebungen einen Riegel vorgeschoben, sagte Syrskyj. Dies seien erfahrene Spezialisten, "die durch niemanden ersetzt werden können".
Die Ukraine leidet unter anderem wegen der Altersgrenze für Reservisten an Personal für die Fronttruppen. Zwar müssen alle Männer ab 18 Jahren einen Grundwehrdienst ableisten, in den Kriegseinsatz müssen Soldaten erst ab 25. Die Unterstützer der Ukraine haben Kiew wiederholt aufgefordert, diese Altersgrenze zu senken.
Moskau könnte schnell wieder erstarken
Russland dagegen verfügt aufgrund seiner Einwohnerzahl von rund 140 Millionen Menschen auch über deutlich mehr Soldaten- und könnte im Falle einer möglichen Waffenruhe sein Potenzial schnell deutlich erweitern. Der künftige US-Präsident Donald Trump will binnen eines halben Jahres einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine herbeiführen, erklärte er zuletzt.
Der ukrainische Militärexperte und Analytiker Olexander Kowalenko geht im Falle einer Waffenruhe davon aus, dass Russland nur ein Jahr brauche, um sein militärisches Potenzial auszuweiten. Russland könne innerhalb von zwölf Monaten alle Komponenten seiner Streitkräfte - vor allem Panzer, Artillerie und Raketen - unbehindert ausbauen. Zudem sei mit steigenden Zahlen von Infanterie zu rechnen - bis zu 1,2 Millionen Mann, so Kowalenko gegenüber der Nachrichtenagentur Unian.
Sollten zudem Moskau und Pjöngjang weiterhin an ihrer Zusammenarbeit festhalten, wären bis zu 50.000 Soldaten aus Nordkorea als Verstärkung zu erwarten, meinte er. "Diese Anhäufung wird um ein Vielfaches höher sein als das, was den russischen Besatzungstruppen am 24. Februar 2022 (zu Beginn der Invasion in die Ukraine) zur Verfügung stand."
Quelle: ntv.de, als/dpa