Russland nicht verantwortlich? Bericht: Geheimdienste gehen bei Ostseekabeln von Unfällen aus
19.01.2025, 16:55 Uhr Artikel anhören
Für den jüngsten Vorfall verantwortlich: der Tanker "Eagle S", der zur russischen Schattenflotte gehören soll.
(Foto: picture alliance/dpa/Lehtikuva)
Seit Moskaus Überfall auf die Ukraine werden auffällig oft auch Unterseekabel in der Ostsee zwischen NATO-Partnern beschädigt. Experten gehen bislang von russischer Sabotage aus. Ein US-Bericht widerspricht dem nun.
Mehrere Geheimdienste gehen einem US-Medienbericht zufolge davon aus, dass es sich bei den beschädigten Unterseekabeln in der Ostsee nicht um russische Sabotageakte handelt. Die "Washington Post" berichtet das mit Verweis auf hochrangige Beamte aus drei Ländern. Demnach wachse der Konsens zwischen den Diensten in den USA und Europa, dass für die kaputten Kommunikationskabel vielmehr Unfälle verantwortlich gewesen seien.
Die "Washington Post" schreibt, dass die Ermittler keine Beweise gefunden hätten, dass die Schiffe, die verdächtigt wurden, die Kabel mit ihrem Anker beschädigt zu haben, von Moskau gesteuert wurden. Auch soll es keine Anhaltspunkte dafür geben, dass die Kabel absichtlich beschädigt wurden. Indes gebe es Hinweise darauf, dass vor allem unerfahrene Crews auf schlecht gewarteten Schiffen dafür verantwortlich seien.
Laut der Zeitung verweisen US-Beamte auf "klare Erklärungen", die es in jedem Fall gegeben habe und die auf ein Versehen hindeuteten. Beamte von zwei europäischen Geheimdiensten erklärten, sie stimmten mit den Einschätzungen der USA überein. Trotz des anfänglichen Verdachts, dass Russland involviert war, sagte ein europäischer Beamter, es gebe "Beweise", die das Gegenteil nahelegten.
Pistorius: Hybride Angriffe passieren "täglich"
Die Zwischenfälle in der Ostsee hatten in Europa für Aufsehen gesorgt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 sind gleich mehrfach wichtige Telekommunikations- und Stromkabel beschädigt worden. Zuletzt war eine Stromleitung zwischen Finnland und Estland betroffen gewesen. Verantwortlich dafür soll der Tanker "Eagle S" gewesen sein, den die EU zur russischen Schattenflotte zählt. Mit diesen Schiffen soll der Kreml ihm auferlegte Sanktionen umgehen. Dem Öltanker wird vorgeworfen, seinen Anker Dutzende Kilometer über den Meeresboden schleifen gelassen zu haben. Die Untersuchungen zu dem Vorfall laufen noch.
Experten gehen bei den Vorfällen von hybriden Angriffen Moskaus auf den Westen aus und machten die russische Schattenflotte dafür verantwortlich. Die NATO hatte deshalb vor einigen Wochen ihre Präsenz in der Ostsee erhöht. Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte jüngst vor hybriden Angriffen durch Russland in der Ostsee und sagte, diese passierten "täglich".
Das Durchtrennen der Seekabel "kann sehr wohl ein zufälliger Unfall sein", wird Experte Eric Ciaramella in der "Washington Post" zitiert. Er arbeitet derzeit beim US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace und war zuvor stellvertretender nationaler US-Geheimdienstbeauftragter für Russland. "Aber es ist schwer, eine konzertierte russische Kampagne auszuschließen, wenn [Moskaus] Geheimdienste versuchen, deutsche Geschäftsleute zu ermorden, Brände in Fabriken in ganz Europa zu legen und Bomben auf Frachtflugzeuge zu werfen", ergänzte er.
Quelle: ntv.de, ses