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"Kein System, ihn zu erreichen" Kreml-Kritiker Nawalny taucht in Straflager in Polarregion auf

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Nawalny während des Prozesses im Mai 2022.

Nawalny während des Prozesses im Mai 2022.

(Foto: dpa)

Wochenlang ist Alexej Nawalny verschollen, vom zu langer Haftstrafe verurteilten Kreml-Gegner fehlt jede Spur. Seine Unterstützer sind in großer Sorge. Jetzt ist der 47-jährige Oppositionelle wieder aufgetaucht: in einer abgelegenen Strafkolonie im Norden Russlands.

Der seit mehr als zwei Wochen gesuchte Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist wieder aufgetaucht. Er sei in das Straflager IK-3 in Charp im Norden Russlands im Automonen Kreis der Jamal-Nenzen verlegt worden, teilt Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch mit: "Wir haben Alexej Nawalny gefunden." Das Straflager liegt demnach rund 1900 Kilometer nordöstlich von Moskau, dort sei Nawalny lokalisiert worden. Jarmysch berichtete außerdem, dass der Anwalt des Oppositionellen ihn an diesem Montag habe sehen können. Nawalny gehe es gut.

"Obwohl heute auch Weihnachten ist, ist die Tatsache, dass wir Alexej an diesem Tag gefunden haben, kein Weihnachtswunder, sondern die gewaltige und akribische Arbeit der Juristen des Anti-Korruptions-Fonds", teilte Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Oppositionellen, bei Instagram mit.

Sein Team hatte seit dem 6. Dezember keinen Kontakt zu Nawalny und war deshalb mit großer Sorge an die Öffentlichkeit getreten. Gerichtstermine waren seitdem von den russischen Behörden ohne Angabe von Gründen verschoben worden. Allerdings war mit einem Transfer in eines der härtesten Gefängnisse Russlands bereits gerechnet worden. Gemäß dem im Sommer gegen ihn ergangenen Urteil muss Nawalny seine Strafe in einer Kolonie mit schärferen Haftbedingungen verbringen. Diese sind üblicherweise nur für lebenslänglich Verurteilte und besonders gefährliche Gefangene vorgesehen.

Nawalnys Anwalt Iwan Schdanow bezeichnete das Straflager IK-3 als "eine der nördlichsten und abgelegensten" Haftanstalten des Landes: "Die Bedingungen sind hart in der Permafrost-Zone. Es ist sehr schwierig zu erreichen und es gibt kein System, Briefe oder Anrufe zuzustellen." Die Unterbringung dort verdeutliche, "wie das System mit politischen Gefangenen umgeht, wie es versucht, sie zu isolieren und zu unterdrücken", zitiert die "Moscow Times" Schdanow außerdem. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle.

Verlegungen erfolgen oftmals ohne Info an Angehörige

Die Sorge um den 47-Jährigen war auch deshalb groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist. Mitarbeiter des Strafvollzugs hatten bei Gerichtsprozessen nur mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei. Verlegungen von einer Strafkolonie in eine andere dauern in Russland oft mehrere Wochen und erfolgen über Zugfahrten, die von mehreren Zwischenhalten unterbrochen werden. Die Angehörigen der Gefangenen erhalten während dieser Zeit keinerlei Angaben zu deren Aufenthaltsort.

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"Vielen Dank an die Unterstützer, die Aktivisten und Journalisten und die Medien, die sich um Alexejs Schicksal sorgen und nicht müde werden, über die Situation zu berichten", sagte Schdanow der Nachrichtenagentur Reuters zufolge. Zuvor seien 618 Anfragen verschickt worden, wohin Nawalny verbracht worden sei. Der 47-Jährige war zuvor in einer Strafkolonie rund 235 Kilometer östlich von Moskau untergebracht worden.

Im August war Nawalny zu weiteren 19 Jahren Haft verurteilt worden, zusätzlich zu den elfeinhalb Jahren, die er gerade absitzt. Nawalny wurde unter anderem wegen Extremismus verurteilt. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. Nawalny weist alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück: Sie zielten darauf ab, seine Kritik an Präsident Wladimir Putin zum Schweigen zu unterbinden. Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist die bekannteste Figur in der zersplitterten Opposition Russlands. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt.

Quelle: ntv.de, tsi/AFP/rts/dpa

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