"Großer Fehler" Lauterbach kritisiert Astrazeneca-Impfstopp
15.03.2021, 17:57 Uhr
Karl Lauterbach kennt nach eigenen Aussagen keine Analysen, die ein Aussetzen der Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff rechtfertigen würden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach Berichten über Blutgerinnsel setzt auch Deutschland die Impfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca aus. Für Karl Lauterbach ist das völlig unverständlich. Das schüre nur Misstrauen, sagt der SPD-Gesundheitsexperte. Kritik kommt auch von einer Parteikollegin und aus der Opposition.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht den Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca kritisch. Im Interview mit RTL/ntv erklärte Lauterbach, dass das Risiko einer Thrombose weit unter 1 zu 100.000 liege. Das Risiko scheint nicht erhöht zu sein im Vergleich zu denjenigen, die nicht geimpft wurden und auch im Vergleich zu den Biontech-Geimpften. "Ich hoffe, dass es nur eine ganz kurze Prüfung sein wird, sodass wir schon in der nächsten Woche den Impfstoff Astrazeneca wieder einsetzen können", so der Epidemiologe.
Ein Impfstopp "schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt", sagte Lauterbach zudem der "Rheinischen Post". "Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtfertigen würden", so der SPD-Politiker. "Wenn der Impfstoff dauerhaft nicht zur Verfügung stehen sollte, was ich jedoch nicht glaube, wäre die Impfstrategie über die Hausärzte ernsthaft gefährdet", sagte Lauterbach zu RTL/ntv. Er würde den Impfstoff nicht nur weiterempfehlen, sondern auch jederzeit selbst nehmen.
Das Bundesgesundheitsministerium hat am heutigen Montag mitgeteilt, dass die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca in Deutschland vorsorglich ausgesetzt werden. Das Ministerium verwies dabei auf eine aktuelle Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts zu notwendigen weiteren Untersuchungen. "In der jetzt Fahrt aufnehmenden 3. Welle wären die Erstimpfungen mit dem Astrazeneca Impfstoff Lebensretter", twitterte Lauterbach dazu.
"Zerstört Vertrauen in einen guten Impfstoff"
Irritiert äußerte sich auch die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley. "Die neueste Generation der Antibabypille hat als Nebenwirkung Thrombosen bei acht bis zwölf von 10.000 Frauen. Hat das bisher irgendwen gestört?", fragte sie auf Twitter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte zuvor von sieben berichteten Fällen von Thrombosen in Hirnvenen bei einer Gesamtzahl von mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca in Deutschland gesprochen.
"Die Astrazeneca-Aussetzung zerstört Vertrauen in einen guten Impfstoff", schrieb der Linken-Europapolitiker Erik Marquardt ebenfalls auf Twitter, "bloß weil niemand mehr Verantwortung für Entscheidungen übernehmen" wolle. "Mit dieser bürokratischen Lethargie würde man bei Seenot auch nicht vom sinkenden Schiff springen, weil man dabei nass werden könnte", kritisierte er weiter.
"Herr Spahn muss seine erratische Kehrtwende erklären", verlangte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Dazu gehöre auch die Frage, warum die Entscheidung unmittelbar nach den Landtagswahlen vom Sonntag bekannt gegeben werde und ob dafür neue Daten vorlägen, erklärte Theurer weiter. Der FDP-Politiker wies darauf hin, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA die bislang bekannt gewordenen Fälle von Thrombosen als "statistisch völlig unauffällig" einstufe, und empfehle, den Impfstoff von Astrazeneca weiter zu nutzen.
Vor gravierenden Konsequenzen der Entscheidung warnte auf Twitter der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Die Aussetzung der Nutzung von Astrazeneca treffe nun mit dem "Hereinbrechen der dritten Welle" der Corona-Pandemie zusammen. Die Konsequenz müsse sein: "Die Corona-Schutzmaßnahmen müssen nun hochgefahren werden."
Quelle: ntv.de, hny/dpa/AFP