Antrittsbesuch in Brüssel Lindner pocht auf EU-Fiskalregeln
17.01.2022, 17:41 Uhr
Eine Faust zur Begrüßung: Lindner (r.) mit seinem französischen Kollegen Le Maire in Brüssel
(Foto: dpa)
Soll die EU ihre Schuldenpolitik dauerhaft lockern? Für Bundesfinanzminister Lindner ist die Antwort klar. Es sei nötig, wieder "finanzielle Puffer" aufzubauen, sagt er. Damit widerspricht er vor seinem ersten Brüsseler Auftritt als Finanzminister seinem französischen Kollegen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Forderungen nach einer Lockerung der EU-Schuldenpolitik zurückgewiesen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt habe während der Krise seine Flexibilität unter Beweis gestellt, sagte der FDP-Politiker vor den Beratungen der Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel. Jetzt sei es aber an der Zeit, wieder "finanzielle Puffer" aufzubauen. "Wir wollen uns die Vorschläge anderer Staaten ansehen", sagte Lindner. "Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes haben allerdings auch für die Bürgerinnen und Bürger eine hohe Bekanntheit und eine hohe Verlässlichkeit."
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte in einem Interview die im Zuge der Corona-Krise außer Kraft gesetzten strengen Vorgaben für die Verschuldung der Mitgliedstaaten als "überholt" bezeichnet. Lindner sagte in Brüssel, er erwarte nicht, dass bei den Kriterien der Defizitregeln "grundlegende Veränderungen realistischerweise zu erwarten sind". Sie seien aber auch nicht nötig, "denn es gibt durchaus auch andere Maßnahmen, die man einleiten kann, um fiskalische Stabilität mit der Verbesserung von Investitionsmöglichkeiten zu verbinden".
Für die deutsche Bundesregierung sei es entscheidend, " dass wir die Bedeutung der Fiskalregeln weiter beachten", betonte Lindner. "Fiskalregeln sind entscheidend, um die Glaubwürdigkeit der Staaten gegenüber den Kapitalmärkten zu erhalten." Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag dazu, "die monetäre Stabilität zu erhalten und auch die Preisentwicklung im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und auch der Wirtschaft insgesamt in einem kontrollierten Maß sich entwickeln zu lassen".
Lindner hofft auf privates Kapital
Für die Transformation in Europa wolle die Bundesregierung insbesondere privates Kapital mobilisieren, erklärte der FDP-Politiker. "Da geht es nicht nur darum, aus der Krise heraus zu starten, ein wichtiges Anliegen der deutschen Bundesregierung ist es, ein Momentum zu entwickeln, um aus der Krise heraus auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken."
Für Lindner sind die Treffen der Finanzminister der Euro-Länder am Montag und der aller EU-Staaten am Dienstag seine ersten Auftritte als Bundesfinanzminister auf der europäischen Bühne. Er ist aber nicht der einzige neue Minister, sondern nur eines von gleich vier neuen Gesichtern in der Eurogruppe. Auch aus den Niederlanden, Österreich und Luxemburg gibt es eine neue Besetzung.
Besorgnis wegen Inflation
Der neue österreichische Finanzminister Magnus Brunner forderte in Brüssel eine striktere Fiskalpolitik nach Ende der Krise. "Wir plädieren ganz stark dafür, wieder zu einer soliden Finanzpolitik zurückzukehren", sagte er. "Deutschland war immer ein Partner, wenn es um Stabilität gegangen ist", hob er hervor. Für Österreich sei vor allem auch das Thema Inflation ein ganz wichtiges, denn viele Bürger seien in Sorge. "Wir müssen diese Sorgen sehr ernst nehmen", forderte Brunner. Preisstabilität sei "ganz entscheidend", sagte er und verwies auch auf die Geldpolitik.
Die neue niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag zeigte sich ebenfalls besorgt wegen der Inflationsentwicklung. "Die Kaufkraft der einzelnen Bürger wird betroffen", betonte sie. Allgemein handele es sich "um ein sehr wichtiges Jahr" für die EU, denn es müssten die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Die neue luxemburgische Finanzministerin Yuriko Backes kündigte an, sie wolle bei der Kompromissfindung helfen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die einzelnen Länder seien sehr unterschiedlich gewesen, gab sie zu bedenken. Am Dienstag will Lindner auch das Arbeitsprogramm des deutschen Vorsitzes bei den sieben führenden Industrieländern (G7) vorstellen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/DJ