"Kein klares Signal vom Bund" NRW-Verkehrsminister fürchtet Ende des Deutschlandtickets
24.09.2023, 06:30 Uhr Artikel anhören
Bleibt das Deutschlandticket in seiner jetzigen Form erhalten? Bislang ist das nicht geklärt.
(Foto: picture alliance / Wolfgang Maria Weber)
Rund zehn Millionen Menschen nutzen das Deutschlandticket im bundesweiten Nahverkehr. Jetzt warnt der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder: Das Angebot könnte schnell wieder Geschichte sein. Bis jetzt sind sich Bund und Länder nicht über die weitere Finanzierung einig.
Wegen des Finanzstreits mit dem Bund hat NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer von den Grünen vor einem Aus des Deutschlandtickets gewarnt. "Wenn jetzt nicht sehr zeitnah beim Deutschlandticket eine Lösung gefunden wird, dann ist das, was wir alle als das erfolgreichste Ticketmodell in der ÖPNV-Geschichte zu Recht feiern und was wirklich auch ein Riesenfortschritt ist, auch ganz schnell wieder Geschichte", sagte der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder. Er forderte außerdem eine Zustimmung des Bundes für ein bundeseinheitliches Semesterticket.
Am Donnerstag gebe es eine digitale Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz von Bund und Länder. Dort gehe es darum, eine gemeinsame Haltung der Länder abzustimmen und mit dem Bund über die Lage zu sprechen, so Krischer. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sei natürlich auch eingeladen. "Eine Zu- oder Absage liegt uns aber bisher nicht vor", so der Grünen-Politiker.
Künftige Finanzierung offen
Seit dem 1. Mai kann das Deutschlandticket für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr für 49 Euro im Monat verwendet werden, als digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement in ganz Deutschland. Bund und Länder geben bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro. Im ersten Jahr sollen mögliche Mehrkosten zur Hälfte geteilt werden - diese "Nachschusspflicht" aber ist von 2024 an offen. Krischer sprach deswegen von einer schwierigen finanziellen Lage. "Es ist nicht geklärt, ob sich der Bund an allen Kosten beteiligt." Die Nachschusspflicht sei aber erforderlich, weil die Nahverkehrsunternehmen eine Basis haben müssten, um zu kalkulieren.
"Wir als Länder sind bereit, Mehrkosten hälftig zu zahlen. Vom Bund kommt aber kein klares Signal, sondern im Gegenteil eine Verhärtung." Er entnehme Äußerungen Wissings, dass es keinen einzigen Euro mehr geben solle vom Bund. "Dann gehen wir natürlich mit dem Deutschlandticket einer schwierigen Zukunft entgegen." Das NRW-Verkehrsministerium halte die Prognose des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro 2024 für realistisch. Die Lösung müsse sein, dass sich Bund und Länder weiterhin hälftig die Mehrkosten teilen, betonte Minister Krischer.
Wie kann eine Lösung aussehen?
Wenn der Bund weiterhin bei seiner "Blockadehaltung" bliebe, seien drei Szenarien denkbar: "Die eine Möglichkeit ist, man erhöht den Preis. Es steht ja schon eine Zahl im Raum, und zwar 59 Euro. Das könnte man machen. Ich hielte das aber politisch für fatal, wenn man weniger als ein Jahr nach der Einführung so eine Erhöhung hätte. Das würde uns in der Sache auch nichts bringen. Wenn man das Ticket zehn Euro teurer macht, dann werden Leute wieder aussteigen und die Einnahmen werden am Ende nicht viel höher sein. Das heißt, eine Preiserhöhung ist keine Lösung", sagte Krischer.
"Die zweite Lösung ist, die Länder sagen, wir übernehmen die Mehrkosten alleine. Da sehe ich aber keine politische Akzeptanz unter den Ländern. Die dritte Möglichkeit wäre, das Angebot zu verringern, um Kosten zu sparen. Das widerspricht aber so ziemlich jedem verkehrspolitischen Programm."
"Deutsche Bahn ein Riesenproblem"
Zur Aufforderung Wissings, bei den Vertriebskosten im ÖPNV zu sparen und die Zahl der Verkehrsverbünde zu verringern, sagte der Grünen-Politiker, dadurch ließen sich die Finanzierungsprobleme im öffentlichen Verkehr und beim Deutschlandticket nicht ansatzweise lösen. "Ein Riesenproblem, das wir im öffentlichen Verkehr haben, ist die Deutsche Bahn. Und das ist ein Strukturproblem", fügte Krischer hinzu. Er würde sich wünschen, dass Wissing sich um seine Strukturprobleme kümmere. "Dann hätten wir an vielen Stellen auch schon Fortschritte. Da braucht es keine schlauen Ratschläge in Richtung Länder."
Die Verkehrsministerkonferenz habe im Frühjahr in Aachen einen Vorschlag gemacht für ein bundeseinheitliches Semesterticket für monatlich 29,60 Euro, sagte Krischer. "Damit können wir diesen Abstand über das Solidarmodell aufrechterhalten." Der Bund reagiere aber seit Monaten nicht. "Das ist insofern noch unverständlicher, als es nichts mehr kostet, ein solches bundeseinheitliches Semesterticket einzuführen. Es ist im Gegenteil eine Entlastung, weil wir diese große Gruppe von rund drei Millionen Studierenden im System halten." Die Länder bräuchten aufgrund der gemeinsamen Finanzierung die Zustimmung des Bundes.
Quelle: ntv.de, ino/dpa