Experten in Hessen empfehlen Nachrichtendienst soll Polizeianwärter prüfen
12.07.2021, 13:57 Uhr
Auch Aktivitäten in sozialen Netzwerken sollen analysiert werden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bewerber für den Polizeidienst in seinem Bundesland sollen laut dem hessischen Innenminister Beuth künftig "flächendeckend und regelmäßig" überprüft werden - und zwar vom Verfassungsschutz, wie es eine Expertenkommission empfiehlt. Diese untersuchte mögliche radikale Umtriebe in der Polizei.
Vor dem Hintergrund unerlaubter polizeilicher Datenabfragen im zeitlichen Zusammenhang mit "NSU 2.0"-Drohschreiben sollen angehende Polizistinnen und Polizisten in Hessen künftig vom Verfassungsschutz überprüft werden. Das empfahl eine unabhängige Expertenkommission, die mögliche strukturelle Probleme in der hessischen Polizei untersuchen sollte, in ihrem nun vorgestellten Abschlussbericht. Darin sprach die Kommission von "erheblichem Reformbedarf". Sie war eingesetzt worden, um sich etwaigen Fehlverhalten und rechtsextremen Äußerungen innerhalb der Polizei zu widmen.
"Wir müssen mit allen notwendigen Mitteln verhindern, dass bereits bekannte Extremisten in die Reihen der Polizei gelangen könnten", erklärte Landesinnenminister Peter Beuth bei der Vorstellung des Berichts. Deshalb sollten Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeidienst nicht nur im Einzelfall, sondern "flächendeckend und regelmäßig" überprüft werden. Dazu gehöre auch eine noch umfassendere Analyse von Aktivitäten in sozialen Medien.
Dokumente ausgewertet und 70 Personen befragt
Weiter riet die Kommission zur Erstellung eines Leitbilds sowie zu einer offenen Fehlerkultur, in der Fehlverhalten "proaktiv" kommuniziert werden sollte. Der Expertenrat setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Polizei und Verfassungsschutz zusammen. In den vergangenen zehn Monaten wertete die Kommission polizeiinterne Dokumente aus und befragte mehr als 70 Menschen, darunter auch Betroffene von Drohschreiben und Datenabfragen.
Seit August 2018 wurden unter dem Pseudonym "NSU 2.0" Drohschreiben verschickt. Das Kürzel "NSU 2.0" nimmt Bezug auf die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Adressaten waren unter anderem Bundestagsabgeordnete, Parlamentarier des hessischen Landtags, eine Frankfurter Anwältin sowie Künstler und Menschenrechtsaktivisten. Spuren in der Drohserie wiesen zunächst zur Polizei selbst, weil von Polizeicomputern Daten von Opfern abgefragt sein sollen.
Im Mai wurde ein 53-Jähriger aus Berlin festgenommen, der für die anonymen Drohschreiben verantwortlich gewesen sein soll. Es handelte sich nicht um einen Polizisten. Der Mann soll sich die Daten seiner Opfer vielmehr telefonisch bei hessischen Polizeidienststellen erschlichen haben.
Quelle: ntv.de, mbe/AFP