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Ikone der Unabhängigkeit Namibias Präsident Hage Geingob ist tot

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Hage Gottfried Geingob bei einem Wirtschaftstreffen 2022 mit dem Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Hage Gottfried Geingob bei einem Wirtschaftstreffen 2022 mit dem Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der namibische Präsident Hage Geingob ist verstorben. Er ist am frühen Sonntagmorgen in einem Krankenhaus in Windhuk gestorben. Lange wird er als Vater des unabhängigen Namibias verehrt. Doch während seiner Präsidentschaft bröckelt sein Ruhm stetig ab.

Namibias Präsident Hage Gottfried Geingob ist tot. Der Staatsmann, der einst für soziale Gerechtigkeit kämpfte, aber seine Versprechen für wirtschaftliche Entwicklung nicht einhielt, starb am frühen Sonntagmorgen im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus in Windhuk, wie der amtierende Präsident Nangolo Mbumba auf der Plattform X, mitteilte. Geingobs Frau Monica und seine Kinder seien an seiner Seite gewesen.

"Die namibische Nation hat einen hervorragenden Diener des Volkes, eine Ikone des Befreiungskampfes, den führenden Architekten unserer Verfassung und die Säule des namibischen Hauses verloren", sagte der amtierende Präsident Mbumba in seiner Erklärung.

Er fügte hinzu, dass das Kabinett mit sofortiger Wirkung zusammentreten werde, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Geingob war der dritte Präsident des Landes und seit 2015 im Amt. Seine Frau Monica und seine Kinder seien im Krankenhaus an seiner Seite gewesen, hieß es in der Mitteilung weiter. Geingob war in dem Privatkrankenhaus in der namibischen Hauptstadt behandelt worden, nachdem Ärzte bei einer Biopsie Krebszellen entdeckt hatten. Das Präsidialamt hatte am 1. Februar mitgeteilt, dass Geingob aus den USA zurückgekehrt sei, wo er eine "neuartige Behandlung gegen Krebszellen" erhalten habe.

Geboren am 3. August 1941 im ländlichen Städtchen Otjiwarongo, im damaligen Südwestafrika, begann Geingob zunächst eine Ausbildung als Lehrer. In den 1960er-Jahren schloss er sich der Befreiungsbewegung an, um sein Land von der Fremdverwaltung durch das benachbarte Südafrika zu lösen, das zu diesem Zeitpunkt von der rassistischen Apartheidregierung geführt wurde. Geingob wurde Mitglied der Südwestafrikanischen Volksorganisation (SWAPO), die später mit militärischer Unterstützung durch die Sowjetunion und Kuba gewaltsam ihr Ziel der Unabhängigkeit verfolgte.

Krieg und Völkermord, 1904 bis 1908

Das heutige Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. 1904 bekämpften die deutschen Truppen den Widerstand der Herero. Später nahmen auch die Nama, die im Süden des Landes lebten und von den Deutschen "Hottentotten" genannt wurden, den Kampf gegen die Kolonialisten auf. Die meisten Historiker werten den Krieg gegen Herero und Nama als Völkermord, da das Ziel nicht nur Sieg und Unterwerfung waren, sondern Vertreibung und Vernichtung.

Gesicherte Zahlen gibt es nicht, man schätzt, dass 50 bis 70 Prozent der bis zu 100.000 Herero, die um 1900 in Südwestafrika lebten, ums Leben kamen. Von den rund 20.000 Nama kamen bis zu 50 Prozent ums Leben. Tausende starben in Konzentrationslagern, die errichtet wurden, um den Kämpfern die Unterstützung durch die Einheimischen zu entziehen. Zu den verfolgten Völkern gehörten auch die Damara und San. Offiziell wurde das Ende des Kriegs am 31. März 1907 erklärt. Erst 1908 wurden die letzten Konzentrationslager aufgelöst.

Geingob agierte zunächst als Stellvertreter der SWAPO in Botsuana und wurde 1964 zum SWAPO-Repräsentanten bei den Vereinten Nationen in New York ernannt, wo er zeitgleich an renommierten US-Universitäten Politikwissenschaften studierte. Mit der Gründung des UN-Instituts für Namibia 1975 wurde Geingob dessen Direktor, eine Position, die er bis zu seiner Rückkehr in seine afrikanische Heimat 1989 innehielt. Geingob war einer der führenden Köpfe seiner Partei und spielte eine entscheidende Rolle bis zur Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990. Unter anderem war er einer der Hauptautoren der neuen Verfassung des Landes. Ebenso sah er die Anerkennung des Genozids an den Nama und Herero Anfang des 20. Jahrhunderts und die offizielle Entschuldigung von deutscher Seite als Erfolg.

Aufbau des unabhängigen Namibias

Als erster Premierminister des unabhängigen Namibias - unter der Präsidentschaft von Sam Nujoma - setzte sich Geingob für die Versöhnung und den Wiederaufbau der ehemaligen deutschen Kolonie mit 2,6 Millionen Einwohnern ein. Nach einem Abstecher als Industrie- und Handelsminister wurde Geingob 2012 zum zweiten Mal Premierminister. Im November 2014 wählten die Namibier ihn mit großer Mehrheit zum Präsidenten und bestätigten ihn fünf Jahre später für eine zweite Amtszeit.

Geingob galt als brillanter Denker und versierter Rhetoriker, der sich für die Rechte der Unterdrückten einsetzte. Seine Vision eines geeinten und wirtschaftsstarken Namibias machte ihn vor allem während seiner ersten Amtszeit zu einem respektierten Staatsoberhaupt, sowohl innerhalb des Landes als auch auf internationaler Ebene. Einer von Geingobs wichtigsten politischen Erfolgen ist die Gründung eines öffentlichen Dienstes in Namibia. Auch Naturschutz und Öko-Tourismus standen hoch auf Geingobs politischer Agenda.

Während seiner zweiten Amtszeit, für die er nur knapp die Stimmenmehrheit erhielt, verlor Geingob jedoch an öffentlichem Ansehen. Zu dem stark schwindenden Vertrauen hatte unter anderem seine Unfähigkeit geführt, Misswirtschaft und Arbeitslosigkeit Einhalt zu gebieten.

Auch sein verschwenderischer Lebensstil, seine Unfähigkeit, Kritik anzunehmen und seine zunehmende politische Zusammenarbeit mit China, stießen innerhalb der Bevölkerung auf Unmut. 2021 sah sich Geingob dann selbst mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert: Ihm wurde unterstellt, er habe Millionen von Dollar veruntreut, indem er angeblich Regierungsbeamte anwies, Gelder von einem staatlichen Fischereiunternehmen für politische Bestechungsgelder abzuzweigen. Ein Ergebnis der Untersuchung steht bis heute allerdings aus. In Namibia stehen gegen Ende des Jahres Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an.

Quelle: ntv.de, Von Kristin Palitza und Frauke Röschlau, dpa

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