Macron ruft Verfassungsrat an Pariser Regierung droht am Einwanderungsgesetz zu zerbrechen
20.12.2023, 13:07 Uhr Artikel anhören
Auf sein Betreiben wird das neue Gesetz erarbeitet, nun will Präsident Macron es vom Verfassungsrat überprüfen lassen.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Nach langem Hängen und Würgen verabschiedet die französische Nationalversammlung ein deutlich verschärftes Migrationsgesetz. Die Konsequenzen: Präsident Macron lässt die Verfassungsmäßigkeit prüfen, von Le Pen kommt Häme und Minister drohen mit dem Rücktritt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die Verfassungsmäßigkeit eines gerade erst beschlossenen und innerhalb seines Lagers umstrittenen Einwanderungsgesetzes prüfen lassen. "Der Präsident wird den Verfassungsrat anrufen und der Verfassungsrat wird sagen, wie es sich verhält", sagte Premierministerin Élisabeth Borne dem Sender France Inter in Paris. Macron selbst will sich am Abend im Fernsehen zu dem Ringen um das Gesetz äußern.
Borne wies auf mögliche Widersprüche hin: "Es ist zum Beispiel vorgesehen, wenn jemand einen Kanadier oder einen Japaner heiratet, der nicht gut Französisch spricht, dann kann dieser nicht nach Frankreich kommen. Ich denke, das kann nicht so bleiben."
Mit dem Vorhaben will die Regierung Immigration besser kontrollieren und die Integration verbessern. Der verabschiedete Gesetzestext ist jedoch deutlich restriktiver als ursprünglich vorgesehen. Reguläre Migrantinnen und Migranten sollen Sozialleistungen wie Wohnzuschüsse oder Familiengeld erst später als bisher erhalten. Das Parlament soll über jährliche Immigrationsquoten debattieren. Zudem soll die unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande 2012 abgeschaffte Straftat des irregulären Aufenthalts wieder eingeführt werden. Auch sollen Doppelstaatler, die Straftaten gegen Ordnungskräfte begehen, die französische Nationalität verlieren.
Eine der Kernmaßnahmen des Regierungsvorhabens, wonach bisher ohne Aufenthaltspapiere arbeitende Migranten in Berufen mit Personalmangel einen vorübergehenden Aufenthaltstitel bekommen sollen, wird zudem nur in deutlich eingeschränkter Form kommen.
Das Mitte-Lager von Macron hat in der französischen Nationalversammlung seit den Parlamentswahlen im Juni 2022 keine absolute Mehrheit mehr und ist für ihre Vorhaben daher auf Stimmen der Opposition angewiesen. Nachdem das linke Lager, die konservativen Républicains und das rechtsnationale Rassemblement National den Gesetzestext in der vergangenen Woche in der Nationalversammlung noch vor der Plenardebatte abgelehnt hatten, suchte die Mitte-Regierung in einer Kommission einen Kompromiss. Um sich die Zustimmung der Konservativen zu sichern, machte sie ihnen erhebliche Zugeständnisse. Widerstand kam daraufhin auch aus den eigenen Reihen.
Regierungsmitglieder denken über Rücktritt nach
Der nun verabschiedete Text war innerhalb weniger Stunden von den 14 Mitgliedern eines parlamentarischen Vermittlungsausschusses erarbeitet worden. Präsident Emmanuel Macron hatte durch persönliche Anrufe Druck gemacht, schnell einen Kompromiss zu finden.
In der Nationalversammlung votierten letztlich 349 Abgeordnete für den Text, 186 stimmten dagegen. Etwa ein Viertel des Regierungslagers stimmte mit Nein. Mindestens drei Regierungsmitglieder aus dem linken Flügel hätten ihren Rücktritt erwogen, hieß es in Ministeriumskreisen. Frankreichs Gesundheitsminister Aurélien Rousseau trat aus Protest gegen die Verschärfung des Gesetzes zurück. Er hatte das Amt erst fünf Monate inne.
Von einer Krise im Regierungslager könne jedoch nicht die Rede sein, erklärte Borne. Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen hatte das Gesetz als einen "ideologischen Sieg" erklärt, da es die "nationale Priorität" festschreibe.
Der französische Verfassungsrat überprüft ähnlich wie das deutsche Bundesverfassungsgericht Gesetze und Vorhaben auf ihre Rechtmäßigkeit. Wenn der Rat ein Gesetz vor dem Inkrafttreten auf seine Verfassungsmäßigkeit prüft, ergeht die Entscheidung binnen einer Frist von dreißig Tagen, in dringenden Fällen binnen acht Tagen. Wenn Macron den Verfassungsrat noch vor Weihnachten anruft, dürfte im Januar klar sein, ob er das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft setzen kann oder ob es nachgebessert werden muss.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP