Erste Prognose Parteienbündnis mit von der Leyen gewinnt Europawahl
09.06.2024, 18:15 Uhr Artikel anhören
Sie möchte EU-Kommissionspräsidentin bleiben: Ursula von der Leyen.
(Foto: picture alliance/dpa)
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat gute Chancen, ihr Amt zu behalten: Bei der Europawahl deutet sich ein klarer Sieg der EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin ab. Das zweitstärkste Lager dürften die Sozialdemokraten bleiben. Insgesamt ist jedoch ein deutlicher Rechtsruck spürbar.
Die Europäische Volkspartei (EVP) von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist bei der Europawahl erneut stärkste Kraft geworden. Das Mitte-Rechts-Bündnis erringt voraussichtlich 181 Parlamentssitze, wie das EU-Parlament am Abend unter Verweis auf eine Prognose mitteilte. Die Sozialdemokraten, zu denen auch die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz gehört, kommen demnach mit 135 Sitzen auf den zweiten Platz. Dahinter landet die liberale Fraktion Renew Europe mit 82 Sitzen auf dem dritten Platz.
Zugewinne verbuchen EU-kritische und rechte Parteien. Die nationalkonservative EKR kommt auf 71 Sitze, die rechtsextreme ID-Fraktion auf 62. Die deutsche AfD wird zu den fraktionslosen Parteien gezählt, da sie kurz vor der Europawahl aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden war. Die Grünen verlieren und kommen voraussichtlich auf 53 Sitze, die Linken auf 34. Das Parlament hat insgesamt 720 Sitze. Ein erstes vorläufiges Ergebnis soll um 23 Uhr veröffentlicht werden, wenn auch die Wahllokale in Italien geschlossen haben.
In Österreich zeichnete sich bei der Europawahl ein Sieg der rechten FPÖ ab. Prognosen aus den anderen großen EU-Ländern Italien, Spanien und Polen werden im Laufe des Abends erwartet. Die Niederlande hatten bereits am Donnerstag gewählt, wobei sich ein rot-grünes Wahlbündnis ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der radikal-rechten Partei des Populisten Geert Wilders liefert.
In Frankreich stellte sich die Lage dagegen klarer dar: Demnach hat die rechtspopulistische Partei Rassemblement National um Marine Le Pen ersten Hochrechnungen zufolge deutlich gewonnen. Die Liste von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Verbündeten landete wie erwartet weit abgeschlagen dahinter, wie die Sender France 2 und TF1 nach Schließung der Wahllokale berichteten. Das europaskeptische RN kam demnach auf 31,5 bis 32,4 Prozent der Stimmen, Macrons proeuropäisches Lager auf nur etwa 15,2 Prozent. Die Sozialisten landeten den Hochrechnungen zufolge mit 14 bis 14,3 Prozent knapp hinter Macrons Mitte-Block auf Platz drei.
Zweitgrößte demokratische Abstimmung der Welt
In vielen EU-Staaten war mit einem deutlichen Plus für rechte Parteien gerechnet worden. So hatten Umfragen vor der Wahl die AfD zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gesehen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten. Beide gerieten wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in die Schlagzeilen, im Fall Krah geht es zudem um mögliche China-Verbindungen. Laut der Hochrechnung der ARD (Stand: 20.37 Uhr) kommt die AfD in Deutschland auf 16 Prozent (Zuwachs: 5 Prozent).
Aktuelle Informationen können Sie in unserem Wahl-Liveticker nachlesen.
In den 27 EU-Staaten waren rund 360 Millionen Bürger wahlberechtigt, davon knapp 61 Millionen Deutsche. Gewählt wurden 720 Abgeordnete für das neue Europäische Parlament, davon 96 in Deutschland. Abgesehen von der Parlamentswahl in Indien ist es die größte demokratische Abstimmung weltweit - und die einzige Direktwahl über Staatsgrenzen hinweg.
Eine der ersten Aufgaben des neuen Europaparlaments ist die Bestätigung der neuen EU-Kommission, der Exekutive der Union. Das erste Wort haben aber die Staats- und Regierungschefs der EU - sie haben offiziell das Vorschlagsrecht für den Kommissionspräsidenten oder die -präsidentin, das Parlament muss anschließend mehrheitlich zustimmen.
Als wahrscheinlich gilt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP in den nächsten Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen wird, um eine lose Zusammenarbeit zu vereinbaren, die dann auch eine Mehrheit für die Wahl von Ursula von der Leyen sichern könnte. Theoretisch könnten zudem auch noch Kooperationsmöglichkeiten mit einzelnen rechten Parteien ausgelotet werden. So hat die EVP eine Zusammenarbeit mit der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni vor der Wahl nicht ausgeschlossen. Ihre rechtspopulistische Partei Fratelli d'Italia gehörte bislang zu rechtskonservativen EKR-Fraktion.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/rts