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"Gefährlichster Mann in Amerika" "Pentagon Papers"-Whistleblower Ellsberg ist tot

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Ellsberg bei einem Besuch in Deutschland 2016.

Ellsberg bei einem Besuch in Deutschland 2016.

(Foto: picture alliance / dpa)

Daniel Ellsberg enthüllt Anfang der 70er Jahre ein mehrere Tausend Seiten starkes Dokument, weil er den Vietnamkrieg für nicht zu gewinnen hält. Er macht sich viele Feinde, muss einen Prozess überstehen. Auch Jahrzehnte später ist er noch politisch aktiv. Nun ist Ellsberg im Alter von 92 Jahren gestorben.

Der für das Durchstechen der "Pentagon Papers" zum Vietnamkrieg bekannt gewordene US-Whistleblower Daniel Ellsberg ist tot. Er starb am Freitag im Alter von 92 Jahren "friedlich" in seinem Haus in Kensington im Bundesstaat Kalifornien an den Folgen von Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie seine Familie mitteilte. Ellsberg hatte seine Erkrankung im März öffentlich gemacht und erklärt, er habe nach Angaben seiner Ärzte noch höchstens sechs Monate zu leben.

Ellsberg wurde wegen Verstößen gegen ein Spionagegesetz angeklagt - die Anklage aber schließlich verworfen.

Ellsberg wurde wegen Verstößen gegen ein Spionagegesetz angeklagt - die Anklage aber schließlich verworfen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

"Daniel war ein Suchender nach Wahrheit und ein patriotischer Wahrheits-Sager, ein Anti-Kriegs-Aktivist, ein geliebter Ehemann, Vater, Großvater und Urgroßvater, vielen ein lieber Freund und zahllosen weiteren Menschen eine Inspiration", erklärte die Familie. "Wir alle werden ihn sehr vermissen."

Ellsberg war einer der bekanntesten Whistleblower der Geschichte. Der frühere Pentagon-Mitarbeiter arbeitete für die Denkfabrik Rand Corporation, als er 1971 zunächst der "New York Times" Teile eines streng geheimen Schriftsatzes aus dem US-Verteidigungsministerium zuspielte - die "Pentagon Papers" zum Vietnamkrieg. Das rund 7000 Seiten starke Dokument belegte, dass US-Regierungen die Öffentlichkeit und den Kongress über Einsätze in dem Krieg belogen hatten.

Nixon und Kissinger waren erbost

Ellsberg hielt den Vietnamkrieg nicht für gewinnbar und hoffte, mit der Veröffentlichung des Dokuments ein schnelleres Ende der Gefechte herbeiführen zu können. Die Regierung von US-Präsident Richard Nixon reagierte erbost, Nixons Nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger bezeichnete Ellsberg als den "gefährlichsten Mann in Amerika".

Ellsberg stellte sich selber der Justiz. Er wurde wegen Verstößen gegen ein Spionagegesetz angeklagt und vor Gericht gestellt. 1973 verwarf ein Richter aber die Anklage unter anderem wegen illegaler Beweissammlung durch die Regierung.

"Als ich die Pentagon Papers 1969 kopierte, hatte ich jeden Grund davon auszugehen, dass ich den Rest meines Lebens hinter Gittern verbringen würde", erklärte Ellsberg im März dieses Jahres, als er seine Krebserkrankung öffentlich machte. "Es war ein Schicksal, das ich gerne in Kauf genommen hätte, wenn es bedeuten würde, das Ende des Vietnamkriegs zu beschleunigen."

Bis zum Ableben politisch aktiv

In den vergangenen Jahrzehnten betätigte sich Ellsberg als Buchautor, Redner und Anti-Kriegs-Aktivist. Er ist einer der Mitbegründer der Nichtregierungsorganisation Freedom of the Press Foundation, die sich für die Pressefreiheit einsetzt.

Am 17. Februar wurde dann nach seinen Angaben bei ihm ein nicht operierbarer Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Seine Ärzte hätten ihm gesagt, dass er nur noch "drei bis sechs Monate zu leben" habe, schrieb Ellsberg Anfang März. Er entschied sich gegen eine Chemotherapie.

Seine Frau und seine Kinder erklärten am Freitag, Ellsberg sei "ohne Schmerz und umgeben von liebender Familie" verstorben. Er habe in den Monaten nach seiner Diagnose in zahlreichen Interviews unter anderem zur Gefahr eines Atomkriegs durch den Ukraine-Krieg gesprochen. Er habe auch "Momente der Freude und Liebe" erlebt, unter anderem im April seinen 92. Geburtstag und den 85. Geburtstag seiner Ehefrau Patricia.

"Er war begeistert, die salzfreie Diät aufgeben zu können, die sein Arzt ihm vor fünf Jahren verordnet hatte", erklärte die Familie weiter. "Heiße Schokolade, Croissants, Kuchen, Mohn-Bagel und Räucherlachs haben ihm in diesen letzten Monaten zusätzliche Freude bereitet." Ellsberg habe auch mehrere seiner Lieblingsfilme noch einmal angeschaut, darunter mehrfach seinen absoluten Lieblingsfilm, den Western "Butch Cassidy und Sundance Kid".

Angesichts der zahlreichen Zuwendungen in seinen letzten Tagen habe Ellsberg gescherzt: "Wenn ich gewusst hätte, dass das Sterben so sein würde, hätte ich es früher getan." Seine Frau habe geantwortet: "Dann bin ich froh, dass du es nicht getan hast."

Quelle: ntv.de, mpe/AFP

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