Politik

Grünen-Vorsitz wird ausgetauscht Peter macht Platz für mehr Leidenschaft

Simone Peter überlässt ihren Posten Anja Piel.

Simone Peter überlässt ihren Posten Anja Piel.

(Foto: picture alliance / Wolfgang Kumm)

Nach Cem Özdemir verzichtet auch Simone Peter auf eine erneute Kandidatur für den Grünen-Vorsitz. Die künftige Doppelspitze tritt in kleine Fußstapfen: Sie muss wieder Begeisterung in der Partei entfachen, um das große Potenzial der Grünen zu nutzen.

Der Jubel am Abend der Bundestagswahl kannte keine Grenzen. In einer zum Club umfunktionierten ehemaligen Brauerei im Berliner Bezirk Neukölln lagen sich Grüne - Funktionäre, Mitglieder und Sympathisanten - lachend in den Armen. Dabei gab es dazu auf den ersten Blick wenig Anlass: Rund 460.000 mehr Zweitstimmen als vier Jahre zuvor brachten zwar ein Wachstum um 0,5 Prozentpunkte. Andererseits schrumpften die Grünen auf die kleinste von nunmehr sechs Bundestagsfraktionen. Sie blieben nicht nur erneut hinter den Linken sondern wurden auch von AfD und FDP deutlich überholt.

Der Jubel entsprang daher weniger dem kleinen Stimmenplus, sondern der schieren Erleichterung. Am Mittag des Wahltages hatten die Redaktionen inoffizielle Prognosen erreicht, wonach die Grünen an der 5-Prozent-Marke kratzten. Die als Service für Journalisten gedachten Vorab-Prognosen schwanken zwar oft heftig zu diesem frühen Zeitpunkt. Es ist aber vielsagend, dass Politiker und Journalisten ein Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament nicht für ausgeschlossen hielten.

Deutschland ist in den vergangenen Jahren bei vielen Themen nach rechts gerückt und Umwelt- und Klimaschutz finden ja grundsätzlich alle Parteien irgendwie  gut. Waren die Grünen etwa entbehrlich geworden? Nein, waren sie nicht. Ein engagierter Wahlkampf mit einer zumindest auf der Zielgeraden geschlossen agierenden Parteispitze hatte die Kernwählerschaft mobilisiert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Deutschland ist grüner denn je

Das Wähler-Potenzial der Grünen ist größer als ihre stagnierenden Wahlergebnisse: Ökoprodukte boomen, die Energiewende kommt voran, die Atomkraft ist praktisch Geschichte und gleichgeschlechtliche Ehen seit dem Sommer erlaubt. Deutschland ist so grün wie nie, doch die scheidende Parteispitze hat daraus wenig gemacht. Trotz frustrierend unproduktiver Großer Koalition und der Aussicht auf deren Fortsetzung.

Insbesondere Simone Peter ist in ihren etwas mehr als vier Jahren an der Grünenspitze blass geblieben. Als Vertreter des linken Parteiflügels war es Peter und dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Anton Hofreiter, weder gelungen, der Partei inhaltlich ihren Stempel aufzudrücken noch die Basis zu begeistern.

Vor allem letzteres wiegt schwer für den Seelenfrieden der Partei. Den Grünen ist die Gallionsfigur des parlamentarischen Barrikadenkampfes abhanden gekommen. Jürgen Trittin, Renate Künast und allen voran Claudia Roth: Sie waren identitätsstiftend. Mit ihnen konnten Grüne links fühlen und bürgerlich leben. Diese Lücke konnte Peter noch weniger schließen als Hofreiter. Dessen Auftreten polarisiert wenigstens.

Piels Kandidatur bietet Peter Ausweg

Die frühere Umweltministerin des Saarlands aber konnte selten mit der rhetorischen Brillanz eines Trittin glänzen, bärbeißig kämpfen wie Künast oder einfach nur Menschen herzen wie Roth. Allen drei war ein Selbstbewusstsein und eine Angriffslust gemein, die Grünen-Parteivorsitzende mangels Generalsekretärs im Alltagsgeschäft brauchen. Politische Talente, wie sie bei den Grünen selten geworden sind. Weil Peters Co-Vorsitzender Cem Özdemir ebenfalls nicht kandidiert, verschwindet ein weiteres Talent zumindest vorerst in der zweiten Reihe.

Peter begründete ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur beim Parteitag Ende Januar mit dem überraschenden Interesse von Anja Piel an ihrem Posten. Zeitweise sah es danach aus, als bekämen die Grünen mit Robert Habeck aus Schleswig-Holstein und der brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock eine Doppelspitze aus zwei Realo-Vertretern. Vielversprechende Politiker, aber keine Mitglieder der Abteilung Attacke. Diesen Job könnte nun die Grünen-Fraktionsvorsitzende in Niedersachsen, Piel, übernehmen.

Bei einer Kampfkandidatur der drei Interessenten gilt Habeck als gesetzt. Mit Piel und Baerbock haben die Mitglieder die Wahl zwischen einem Beibehalt oder einem Ende der Vertretung beider Lager. Es wird daher spannend auf dem Parteitag. Aber Reibung erzeugt ja bekanntlich Hitze.

Quelle: ntv.de

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