Politik

Ex-Spion in Salisbury vergiftet Premier May stellt Russland Ultimatum

Stellt dem Kreml ein Ultimatum: Theresa May bei ihrem Auftritt im britischen Parlament.

Stellt dem Kreml ein Ultimatum: Theresa May bei ihrem Auftritt im britischen Parlament.

(Foto: dpa)

Nach der Giftattacke auf einen Ex-Spion in England stellt die britische Regierung ein Ultimatum und fordert von Moskau eine Erklärung. Denn dass Russland für den Anschlag verantwortlich ist, hält Regierungschefin May inzwischen für "höchstwahrscheinlich".

Die britische Premierministerin Theresa May pocht nach dem Giftattentat auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal auf Antworten aus Moskau. Russland sei "höchstwahrscheinlich" für den Mordanschlag im Zentrum der südenglischen Stadt Salisbury verantwortlich, erklärte sie bei einem Auftritt im britischen Unterhaus.

May schilderte den Abgeordneten zwei denkbare Szenarien: "Entweder war dies ein direkter Akt des russischen Staates gegen unser Land, oder aber die russische Regierung hat die Kontrolle über dieses potenziell katastrophale Nervengift verloren und zugelassen, dass es in die Hände anderer gelangte." Das habe eine Analyse der bei dem Attentat eingesetzten Substanz ergeben, sagte sie. Bei dem verwendeten Nervengift handelt es sich demnach um einen militärischen Kampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Serie: Die früher in der Sowjetunion produzierte Chemikalie, die in etwa 100 Varianten vorkommt, zählt zu den gefährlichsten Chemiewaffen überhaupt.

Experten zufolge ist der Kampfstoff deutlich gefährlicher als andere Nervengifte wie etwa Sarin oder VX. Schon allein die Tatsache, dass bei dem Giftanschlag eine solch ungewöhnliche und schwer herzustellende Chemikalie verwendet wurde, legt eine Verstrickung russischer Geheimdienstkreise nahe.

Gestützt auf die Untersuchungsergebnisse von Chemiewaffenexperten berief May den russischen Botschafter ein und stellte Russland ein Ultimatum, um den Fall zu erklären. Moskau müsse umgehend zur Aufklärung beitragen und sich bis Dienstagabend gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer Waffen äußern, so May. Beobachter halten es für möglich, dass Großbritannien nach Ablauf des Ultimatums Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt. Nach Informationen der "Times" bereitet die britische Regierung Sanktionen gegen Russland vor: Sie habe unter anderem die Ausweisung von Diplomaten und die Annullierung von Visa von Russen mit Verbindungen zum Kreml geprüft.

Moskau spricht von einer "Kampagne"

Das Verhältnis zwischen London und Moskau dürfte sich damit weiter verschlechtern. Moskau hat bislang jegliche Beteiligung an dem Attentat abgestritten und London antirussische Propaganda vorgeworfen. "Klären Sie die Angelegenheit erst einmal bei sich, dann werden wir das mit Ihnen besprechen", hatte Putin kurz zuvor im südrussischen Krasnodar auf die Frage eines britischen Reporters geantwortet, ob Russland für den Anschlag auf Skripal verantwortlich sei. Das russische Außenministerium sprach von einer "Zirkusnummer" im britischen Parlament. "Es ist eine reguläre informationspolitische Kampagne, basierend auf Provokationen", wurde Außenamtssprecherin Maria Sacharowa von der Agentur Tass zitiert.

Kurz vor Mays Rede hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gesagt, der Fall Skripal sei "nicht unser Problem". Die britische Regierungschefin zeigte sich nun besonders empört darüber, dass der Einsatz von Nervengas das Leben vieler Menschen in ihrem Land gefährdet habe. Es habe sich "nicht nur um einen Anschlag auf die Skripals gehandelt", sagte sie im Parlament. "Es war ein willkürlicher und schamloser Angriff auf das Vereinigte Königreich".

Wenige Stunden vor ihrem Auftritt im Parlament hatte May eine Krisensitzung des Nationalen Sicherheitsrats einberufen. Daran nahmen Vertreter aus Politik, der Geheimdienste und Streitkräfte teil. Hunderte Beamte der britischen Anti-Terror-Einheit ermitteln mit Unterstützung der Streitkräfte im Fall Skripal. Am Wochenende entdeckten speziell ausgebildete Ermittler in einer Pizzeria und in einem Pub in Salisbury Überreste des verwendeten Nervengifts. Besuchern beider Lokale wurde geraten, vorsichtshalber sämtliche persönliche Gegenstände zu waschen.

Anschlag als Strafe für Verrat?

Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich weiterhin in einem kritischen Zustand. Insgesamt mussten 21 Menschen im Krankenhaus behandelt werden, darunter auch ein Polizist. Er ist bei Bewusstsein und ansprechbar.

Aus US-Geheimdienstkreisen hatte es zuletzt geheißen, die Hauptannahme der Ermittler sei, das Nervengift sei von russischer Seite eingesetzt worden um Skripal für seinen Verrat als russisch-britischer Doppelagent zu bestrafen. Skripal, ein Oberst des russischen Militärgeheimdiensts, war 2006 in Russland wegen des Vorwurfs der Spionage für Großbritannien zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll russische Agenten an den britischen Geheimdienst MI6 verraten haben. Im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und den USA kam er 2010 nach Großbritannien.

Quelle: ntv.de, ftü/dpa/AFP/rts

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