Politik

Sorge bei Chemiewaffen-Behörde Russland setzt Angriffe auf Hafen von Mariupol fort

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Weiterhin scheint Mariupol nicht vollständig in russischer Hand zu sein. In einem Industriekomplex leisten Soldaten trotz des Artilleriefeuers Widerstand. Berichte über einen Einsatz von Giftgas werden geprüft - doch dem ukrainischen Präsidenten gehen die internationalen Bemühungen nicht weit genug.

Die seit Wochen umkämpfte ukrainische Stadt Mariupol ist nach Kiewer Angaben in der vergangenen Nacht erneut Ziel russischer Luftangriffe gewesen. Wie das ukrainische Militär mitteilte, griffen russische Truppen auch den Hafen der Stadt und das Stahlwerk Asowstal an. In dem ausgedehnten Industriekomplex haben sich ukrainische Soldaten verschanzt.

Die Großstadt Charkiw im Osten des Landes sei von russischer Artillerie beschossen worden, hieß es. Die Angaben zum Kampfgeschehen waren nicht unabhängig überprüfbar. Der ukrainische Morgenbericht deutete aber darauf hin, dass sich die militärische Situation nicht stark verändert hat. Die Lage der Verteidiger in Mariupol gilt als zunehmend schwierig. Nach Medienberichten droht ihnen die Munition auszugehen.

In Mariupol harren trotz der Zerstörung vieler Häuser immer noch Zivilisten aus, wie Vizebürgermeister Serhij Orlow in der ARD am Dienstag sagte. Die Menschen hielten sich in Kellern und Schutzräumen auf, um dem Beschuss zu entgehen. "Das ist kein Leben. Das ist Überleben", sagte Orlow. Die ukrainische Verwaltung des Gebiets Donezk, zu dem Mariupol gehört, teilte am Dienstag mit, nach Schätzungen seien dort mehr als 20.000 Menschen getötet worden. Auch diese Zahl ist nicht überprüfbar.

USA prüfen Berichte über Chemiewaffen-Einsatz

Derweil war aus US-Kreisen zu hören, dass Berichte über einen russischen Einsatz von Chemiewaffen in Mariupol gegenwärtig nicht bestätigt werden könnten. Auch die ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar sagte, die Angaben würden noch geprüft. Das russische Militär bestreitet die Vorwürfe. Die USA und Großbritannien haben schwerwiegende Konsequenzen angekündigt für den Fall, dass Moskau im Krieg gegen die Ukraine zu Nuklear- oder Chemiewaffen greifen sollte.

Die Chemiewaffenkontrollbehörde OPCW äußerte sich unterdessen besorgt über die Berichte. Alle 193 Mitgliedstaaten der OPCW einschließlich der Russischen Föderation und der Ukraine hätten sich verpflichtet, "niemals chemische Waffen zu entwickeln, zu produzieren, anzuschaffen ... oder zu benutzen", hieß es in einer Stellungnahme der Kontrollbehörde.

Der Einsatz chemischer Waffen sei verwerflich und stehe im Widerspruch zu "den gesetzlichen Normen der internationalen Gemeinschaft". Seit Beginn des Konflikts stehe das technische Sekretariat der OPCW mit den betroffenen Parteien im Kontakt. Das Sekretariat habe sowohl von russischer wie auch von ukrainischer Seite über Drohungen gehört, giftige Chemikalien einzusetzen.

Selenskyj: "Reagieren Sie präventiv"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert von der internationalen Gemeinschaft vorbeugende Schritte gegen den möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Russland. Dies sei nötig wegen des wiederholten Einsatzes von Phosphormunition und wegen der russischen Drohung, in Mariupol Chemiewaffen einzusetzen. Das sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache am späten Dienstagabend. "Reagieren Sie präventiv. Denn nach dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen ändert eine Reaktion nichts mehr."

Selenskyj bezog sich auch auf die Berichte aus Mariupol vom Vortag. Es sei nicht hundertprozentig festzustellen, was das für eine Substanz war, sagte er. In der belagerten Stadt sei es unmöglich, eine vollgültige Untersuchung durchzuführen. Das in Mariupol eingesetzte Asow-Regiment hatte von drei Verletzten berichtet, bei denen Atembeschwerden und Lähmungen aufgetreten seien. Eine Bestätigung von anderen ukrainischen Stellen gab es nicht.

Quelle: ntv.de, mbe/dpa/rts

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