Weitet EU Militäreinsatz aus? Scholz geht auf Distanz bei Seenotrettung
06.10.2023, 20:28 Uhr Artikel anhören
Scholz und der EU-Außenbeauftragte Borrell.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Auf dem informellen EU-Gipfel in Granada ist Migration eines der Hauptthemen. Bundeskanzler Scholz trifft sich vor Ort mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni, die sich kürzlich über die Finanzierung der Seenotrettung von Seiten Deutschlands beschwert hatte.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich von der öffentlichen Finanzierung der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer durch Hilfsorganisationen distanziert. Auf einer Pressekonferenz nach dem informellen EU-Gipfel in Granada betonte der SPD-Politiker, dass die Gelder vom Bundestag und nicht von der Bundesregierung bewilligt worden seien. "Ich habe den Antrag nicht gestellt", sagte er. Auf die Nachfrage, was denn seine persönliche Meinung dazu sei, fügte er hinzu: "Das ist die Meinung, die ich habe, dass ich den Antrag nicht gestellt habe. Und ich glaube, das ist auch unmissverständlich."
Zuvor hatte sich Scholz am Rande des Gipfels mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni getroffen, die sich vor wenigen Tagen in einem Brief an den Kanzler über die Finanzierung der Seenotrettung beschwert hatte. Der Seenotrettung im Mittelmeer war verstärkt in den vergangenen Tagen von Kritikern nachgesagt worden, sie brächten Flüchtlinge nach Südeuropa, die sich ohne die Chance auf Hilfe nicht auf den Weg gemacht hätten.
Die Hilfen hatten auch die Verhandlungen über eine Reform des europäischen Asylsystems belastet. Rom betrachtet es als Einmischung in inneritalienische Angelegenheiten, dass die Bundesregierung Hilfsorganisationen fördern will, die sich nicht nur im Mittelmeer, sondern auch auf italienischem Boden um Migranten kümmern.
Verstärkter Kampf gegen Schleuser?
Migration war eines der Hauptthemen des EU-Gipfels in Granada. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell deutete am Rande des EU-Gipfels an, im Kampf gegen die unerwünschte Migration über das Mittelmeer auch die Ausweitung eines laufenden Militäreinsatzes mit Kriegsschiffen und Flugzeugen prüfen zu wollen. Er sei beauftragt, die Kapazitäten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU zu nutzen, um Menschenhandel und Menschenschmuggel zu bekämpfen, so Borrell. Deshalb überlege er auch, ob er den Vorschlag machen solle, Kapazitäten der laufenden Operation Irini zu nutzen. Deren Hauptauftrag ist es eigentlich, ein Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen.
Zudem erwägt Borrell nach eigenen Angaben, ob eine EU-Beratermission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Tunesien sinnvoll sein könnte. Diese könnte dann auch dafür sorgen, dass Migranten künftig schwerer über die südlichen Grenzen des Landes an die Mittelmeerküste kommen. Zu einem möglichen Militäreinsatz sagte Borrell, die Operation Irini habe bereits heute auch die Aufgabe, durch das Sammeln von Informationen zum Kampf gegen Menschenschmuggel und Menschenhandel beizutragen. Erfolgreich könne dies aber nur sein, wenn ein solcher Einsatz auch in den Hoheitsgewässer Tunesiens erfolgen könne, schränkte Borrell ein. Dafür brauche es das Einverständnis Tunesiens. Ob ein Militäreinsatz möglich sein könnte, ist deswegen höchst ungewiss. Bislang gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Tunesien einem europäischen Militäreinsatz vor seiner Küste zustimmen könnte.
Quelle: ntv.de, mpe/dpa